Nicht nur Stuttgarts Oberbürgermeister, auch eine Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat findet sich mit dem Aus für Dieselfahrzeuge bis Euro 4 ab. Dennoch gibt es viele Streitpunkte, bevor die Stadt ihre Stellungnahme zum Luftreinhalteplan formuliert.

Stuttgart - Ganzjährige Fahrverbote für Diesel der Schadstoffnorm Euro 4 und schlechter zum Jahresauftakt 2019 werden im Gemeinderat nicht von allen Gruppierungen mitgetragen, aber notgedrungen wohl von einer Mehrheit. Das zeichnete sich am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik ab, als die Stadträte erstmals darüber diskutierten, wie die am 12. Oktober fällige Stellungnahme der Stadt zur dritten Änderung des Luftreinhalteplanes Stuttgart aussehen wird.

 

Die Fahrverbote für Euro 4, die zum Jahreswechsel für auswärtige und am 1. April auch für Stuttgarter Dieselfahrzeuge kommen sollen, seien nach einigen Gerichtsurteilen „unabweisbar“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne). Verbote für Euro-5-Diesel zum September 2019 oder danach hofft er vermeiden zu können, wenn die Stickstoffdioxid-Belastung in Stuttgart weiter in Richtung der gesetzlichen Höchstwerte fällt. Nachdem Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sich zuletzt klar für die Ankurbelung des Flottenwechsels durch Umstiegsprämien der Autohersteller ausgesprochen hatte, baute Kuhn wie einige Fraktionen neuen Druck auf Scheuer auf: zugunsten der technischen Nachrüstung bei Euro-5-Dieseln.

Kuhn will Ausnahmeregelung für Fahrten zur Kfz-Werkstatt

Vor Abgabe der Stellungnahme schlug Kuhn nur eine Änderung an den vom Land geplanten Euro-4-Fahrverboten vor. Zu den Ausnahmeregelungen, die etwa für Handwerkerautos vorgesehen sind, soll eine hinzukommen: dass auch Fahrten zu Kfz-Werkstätten und Autohäusern möglich sind. Abgelehnt wird von der Verwaltung ein Sonderfahrstreifen für Busse zwischen dem Wulle-Steg über die Willy-Brandt-Straße und der Kreuzung Am Neckartor/Heilmannstraße. Ob man damit die Schadstoffwerte senken kann oder nicht, wollen Land und Stadt auch erst von Gutachtern klären lassen. Zudem lehnt die Stadt eine testweise Busspur in der Wagenburgstraße ab, solange in Stuttgart-Ost das Parkraummanagement noch nicht ganz umgesetzt ist. Neun weiteren Maßnahmenpaketen stimmt die Verwaltung zu, etwa Angebotsverbesserungen im öffentlichen Nahverkehr, umweltfreundlicheren Fahrzeugen bei der Stadt und den SSB, Verbesserungen für Radfahrer und mehr Tempo-40-Strecken auf Steigungen.

Die CDU, deren Kreisverband gegen Fahrverbote wettert, widersprach zwar nicht den Fahrverboten bis Euro 4, aber der räumlichen Ausdehnung. Diese sei „nicht verhältnismäßig“, meinte Alexander Kotz. Er interpretiert das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht so, dass Fahrverbote in der ganzen Stadt unerlässlich sind. Björn Peterhoff (Grüne) hielt der CDU/CSU aber vor, wegen ihrer Politik gehe es jetzt nicht mehr ohne diese Fahrverbote. Er meldete umfassende Nachbesserungswünsche an: eine Nahverkehrsabgabe, Temporeduzierungen auf Bundesstraßen, Ausbau des Radverkehrs – und die Busspur in der Wagenburgstraße.

OB Kuhn vermisst die alte Rechtsstaatspartei FDP

Die SPD wird, wie Martin Körner sagte, „ohne Freude“ die Euro-4-Fahrverbote mittragen, weil man im Rechtsstaat die Rechtsprechung ernst zu nehmen habe. Auf die Umweltzone als Geltungsraum habe sich der Ausschuss bereits früher verständigt. Zur Regulierung der Verkehrsströme müsse die Stadt auch Pförtnerampeln einrichten – verbunden mit Umsteigerparkplätzen. Christoph Ozasek (Die Linke) erklärte den geplanten Luftreinhalteplan für rechtswidrig, weil unzureichend für schnellstmöglichen Gesundheitsschutz der Einwohner. Die Haltung der Stadtverwaltung komme der „Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung“ gleich. Jürgen Zeeb (Freie Wähler) forderte wie die CDU eine räumliche Eingrenzung der Fahrverbote. Michael Conz sagte, die FDP stimme Verboten nicht zu. Auch Walter Schupeck (LKR) wandte sich dagegen. Ralph Schertlen (Stadtisten) hatte im Urlaub realisiert, dass die Schadstoffwerte in Stuttgart auch nicht wesentlich höher seien als in der Natur an der Chinesischen Mauer.

OB Kuhn erinnerte Conz dann daran, dass die FDP sich einmal als Rechtsstaatspartei verstanden habe. Und zur SPD: Über Pförtnerampeln könne man offen reden, dürfe es im Interesse der guten Nachbarschaft in der Region aber nicht übertreiben.

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