Forscher der Münchner Fraunhofer-Gesellschaft haben ein Verfahren zur Industriereife entwickelt, das Lupinen zur Lebensmittelpflanze macht. Das hat Potenzial für den Standort Deutschland.

München - Rot und gelb, weiß oder blau – blühende Lupinenfelder sind hübsch anzusehen. Darüber hinaus trauen flüchtige Betrachter der unkrautartigen Pflanze nicht viel zu. Peter Eisner ist da ganz anderer Meinung. „Wir hoffen, dass sie ein ähnliches Potential wie Soja hat“, sagt der Forscher der Münchner Fraunhofer-Gesellschaft (FhG). Das wäre enorm. Nach Mais, Reis und Weizen ist die Sojabohne die global vierthäufigste Nahrungsmittelpflanze, sagt Eisner.

 

Das erklärt die Hartnäckigkeit, mit der Europas bedeutendste Einrichtung für angewandte Forschung seit 1989 an ihr experimentiert. Aus Lupinensamen lässt sich nämlich ein Eiweiß gewinnen, das Milchprodukte ersetzen und Basis für viele vegetarische Lebensmittel sein kann. Wäre da nicht der schlechte weil bittere Geschmack. Mit einem Verfahren, diese Störaromen zu entfernen, ist dann FhG-Lebensmitteltechnologin Stephanie Mittermaier vom Freisinger Fraunhofer-Institut der entscheidende Durchbruch gelungen. Sie, Eisner und Karin Petersen von der Prolupin GmbH haben dafür 2014 den Deutschen Zukunftspreis erhalten.

Im Erfolgsfall hat auch Fraunhofer etwas davon

Das Start-up aus Grimmen (Mecklenburg-Vorpommern) ist eine FhG-Ausgründung, das die Erfindung nun im großen Stil vermarkten will. 50 bis 60 Ideen gibt es jährlich für solche Ausgründungen, erzählt der dafür verantwortliche FhG-Experte Thomas Doppelberger. Etwa die Hälfte davon schaffe den Sprung. Solche „Speedboote“ seien dringend nötig. Denn die etablierte Industrie zögere hierzulande zu oft, neue Ideen zu unterstützen. FhG will mit Leuchttürmen wie Prolupin beweisen, dass Ausgründungen auch in Deutschland funktionieren.

Im Erfolgsfall hat auch Fraunhofer etwas davon, weil man zu knapp einem Viertel an Ausgründungen beteiligt bleibt. Im Fall von Prolupin sind die Hoffnungen groß. Mindestens jeder zehnte Deutsche leidet unter Laktoseintoleranz und der Unfähigkeit, Milchzucker abzubauen. Milchersatzprodukte auf Lupinenbasis können ein Ausweg sein. Dazu kommt der allgemeine Trend zu vegetarischen und speziell veganen Lebensmitteln. „Für uns hat der vegane Lebensstil höchsten Lifestyle-Faktor“, sagt Prolupin-Chef Malte Stampe. Der Manager findet, dass Lupinenmilch geschmacklich besser ist als Sojamilch oder vergleichbare Hafer- und Gerstedrinks. Der Lupinendrink schmeckt zwar nicht genau wie Kuhmilch, kommt dem Original aber recht nahe. Das gilt auch für Lupinen-Pudding, Lupinen-Eis oder Lupinen-Joghurt.

Die Erfindung ist mit Patenten abgesichert

Wenn Fraunhofer einer Erfindung zum Durchbruch verhelfen will, hat man dabei meist den heimischen Standort im Auge, so auch in diesem Fall. „Die Pflanze lässt sich hervorragend in Deutschland anbauen“, erklärt Eisner. Sie wachse auf sandigen Böden und stehe nicht wie Raps in Flächenkonkurrenz mit anderen Lebensmittelpflanzen. Zur Herstellung pflanzlicher Proteine benötigt man auch weniger Ackerfläche als für die Produktion von tierischem Einweiß. Aus einem Hektar Anbaufläche werden 14 000 Liter Lupinen-Drink gewonnen, sagt Stampe.

Die FhG-Erfindung ist mit Patenten abgesichert. Am Markt gebe es zwar Lupinenmehl aus Italien und Frankreich, aber niemanden mit einer Produktpalette wie der eigenen, so Stampe und Eisner. Mit Edeka haben sie jetzt auch einen großen Vermarktungspartner für Deutschland gefunden. Zudem stehe man in Verhandlung mit dem Handel in Österreich und der Schweiz. 40, 50 Millionen Euro Umsatz binnen fünf Jahren seien nicht unrealistisch, findet Eisner. Weil die Pflanze fast überall wächst, sei die Idee nahezu beliebig exportierbar und eröffne damit eine politische Dimension. „Wir brauchen in Europa eine Pflanze, die Soja trotzen kann,“ sagt der Forscher.

Eiweißgewächs mit Zukunft

Wertvoll: Aus blauen Lupinen, wie sie hierzulande wachsen, können nicht nur proteinreiche Zutaten für Lebensmittel gewonnen werden. Die Pflanze hat auch noch die seit dem Altertum bekannte Eigenschaft, Böden fruchtbar zu machen, indem sie Stickstoff aus der Luft bindet und über ihre Wurzeln Phosphat aus tiefen Erdschichten mobilisiert. Lupinen-Felder sind dadurch doppelt wertvoll.

Vielseitig: Das Prolupin-Nahrungsmittelsortiment auf Basis der Pflanze ist nur ein vorläufiges. In Entwicklung ist zum Beispiel auch Lupinen-Käse oder Lupinen-Dressing. Die Pflanze eignet sich zudem als Grundlage für Kuchen, Mayonnaise, Wurst, Creme und Schäume. Außerdem glauben die Forscher, dass sich der Geschmack aller Lupinen-Lebensmittel kontinuierlich weiter verbessern lässt.