Das Thema Produktionsbedingungen in Asien wird auf der Hugo-Boss-Hauptversammlung in Stuttgart kontrovers diskutiert. Eine Gruppe kritischer Aktionäre stellt die Metzinger stellvertretend für die ganze Branche an den Pranger.

Stuttgart - Die erste Hauptversammlung nach dem Ausstieg des Finanzinvestors Permira hätte eine ruhige Veranstaltung für Vorstand und Aufsichtsrat von Hugo Boss werden können. Die Führung präsentierte den Aktionären in Stuttgart eine Reihe von Zahlen, die diese gern gehört haben dürften. Zum fünften Mal in Folge konnte der Luxusmodehersteller aus Metzingen im vergangenen Jahr sowohl Umsatz als auch Ergebnis steigern. Der Aktienkurs der Boss-Papiere hat 2014 anders als in den Vorjahren zwar leicht eingebüßt, dafür gab es bei der Dividende für die Anteilseigner einen satten Aufschlag von acht Prozent auf nun 3,62 Euro pro Aktie.

 

So wurde der Boss-Vorstand um seinen Vorsitzenden Claus-Dietrich Lahrs auch erst einmal kräftig gelobt, etwa vom Aktionärsschützer Andreas Schmidt (SdK): „In einem stagnierenden Markt hat sich Boss sehr gut geschlagen.“ Die Verschuldung sei fast komplett abgebaut und der Aktienkurs habe sich trotz des mehrmaligen Verkaufs großer Pakete durch den früheren Eigentümer fast stabil gehalten“, so Schmidt.

Die kritischen Aktionäre geben den Spielverderber

Als Spielverderber präsentierte sich am Dienstag die Gruppe der kritischen Aktionäre: ein Mitglied drohte dem Aufsichtsrat unverhohlen mit Protesten vor Hugo-Boss-Filialen, sollte das Unternehmen sich bis in zwei Jahren nicht stärker zu seiner gesellschaftlichen Verantwortung in asiatischen Zulieferländern bekannt und sein Engagement transparent gemacht haben.

Die Gruppe wurde von Gisela Burckhardt unterstützt. Die Vorsitzende der Frauenvereinigung Femnet und Sprecherin der Kampagne für Saubere Kleidung nutzte das Forum der Veranstaltung, um auf Missstände im Zulieferland Bangladesch aufmerksam zu machen: Niedrigstlöhne, erzwungene Überstunden und die Gängelei von Gewerkschaftsmitgliedern gehören Burckhardt zufolge genauso zur Realität, wie marode Fabrikgebäude und die Tatsache, dass sich Frauen vor Vertragsabschluss dazu verpflichten müssten, in den nächsten fünf Jahren nicht schwanger zu werden. Die NGO-Vertreterin griff den Boss-Vorstand scharf an: „Es gibt dort Näherinnen, die verdienen keine 50 Euro im Monat. Und Sie stellen sich hier hin und behaupten, dass bei Ihnen alles korrekt zugeht.“ Das Kontrollsystem, wie es in den vergangenen 20 Jahren auch von Boss praktiziert worden sei, funktioniere nicht.

Der Boss-Marken-Vorstand Christoph Auhagen wies die konkreten Vorwürfe gegen sein Unternehmen, die Burckhardt schon 2014 in einem Buch formuliert hatte, vehement zurück: „Frau Burckhardt hat uns bis heute keine Belege für ihre Behauptungen vorgelegt. Wenn sie auf uns zugekommen wäre, hätten wir ihr Einblick in unsere Auditierungs-Ergebnisse gewährt.“ Boss lässt in drei Fabriken in Bangladesch produzieren; die Arbeitsbedingungen würden regelmäßig von deutschen Ingenieuren überprüft, so das Vorstandsmitglied.

Boss gehört nicht zu den 190 Accord-Unterzeichnern

Burckhardt hielt dem entgegen, dass eine dieser Fabriken im Zuge von unabhängigen Kontrollen nach der Einsturz-Katastrophe von Rana Plaza als ebenfalls einsturzgefährdet eingestuft und teilweise geschlossen worden sei. Dem Accord-Abkommen für Gebäudesicherheit und Brandschutz haben sich seit 2013 mehr als 190 Hersteller aus 20 Ländern angeschlossen. „Wieso gehören Sie nicht dazu?“, wollte Burckhardt wissen. „Unsere eigenen Prüfungen gehen über die Anforderungen von Accord hinaus“, antwortete Auhagen. Anderen Fragen, etwa danach, wieso Boss seine Waren teils in den selben Fabriken wie C&A oder H&M produziere, aber wesentlich teurer verkaufe, wich Auhagen aus und hob stattdessen soziale Aktivitäten des Konzerns hervor, zum Beispiel eine Bildungskooperation mit Unicef. Er räumte allerdings ein, dass eine der kritisierten Fabriken heute kein Partner von Boss mehr sei. In den Zulieferbetrieben werde der gesetzliche Mindestlohn von 290 Euro im Monat gezahlt, so Auhagen. Dieser Satz veranlasste den Kleinaktionär Matthias Gaebler zur lakonischen Bemerkung: „Ich glaube nicht, dass auch nur ein einziger Boss-Mitarbeiter in Deutschland nur den Mindestlohn erhält“; sowie zur rhetorischen Frage: „Sind Ihnen Ihre Beschäftigten in ausländischen Fabriken nichts wert?“

SdK-Vertreter Schmidt forderte den neuen Aufsichtsratschef Michel Perraudin auf, sich des Themas anzunehmen, das auch dem Image der Marke schaden könne. Der 67-jährige Schweizer löste am Dienstag Hellmut Albrecht als Chef-Aufseher ab. Als langjähriger Adidas-Produktionsvorstand dürfte Perraudin in der Tat gut mit den Fertigungsbedingungen in Asien vertraut sein.