Ein Unternehmen hat ein Gebäude in Stuttgart-West gekauft und will es umfangreich sanieren – um dann die Mieten erhöhen zu können. Nun regt sich Widerstand.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Im Frühjahr 2018 hat die Privatbesitzerin das Haus mit den acht Parteien an der Forststraße 168 im Westen an die Stuttgarter Firma Schwäbische Bauwerk verkauft. „Sie meinte noch, wir sollen uns keine Sorgen machen“, sagt Mieterin Tanja Klauke. Im November dann der Schock: Die neuen Vermieter kündigen ihren Mieter schriftlich umfangreiche Modernierungsmaßnahmen an. Die Liste der geplanten Projekte umfasst zwei Dutzende Punkte. Darunter sind Sachen wie eine sparsamere Toilettenspülung, ein Außenaufzug und zahlreiche Schutzmaßnahmen gegen Einbruch. Zudem habe die Firma darauf hingewiesen, dass während den Bauarbeiten die Wohnungen wohl kaum bewohnbar seien, erzählt Klauke.

 

Die Bewohner der Forststraße 168 leben teils schon sehr lange in dem Haus, Tanja Klauke seit 15 Jahren. Die Miete für ihre Wohnung mit einer Größe von 63 Quadratmetern betrug bisher 468 Euro. Nach der Modernisierung soll ihre Miete 1115,33 Euro betragen. Das macht eine Mieterhöhung über 130 Prozent. „Das kann ich mir gar nicht leisten“, sagt die Krankenschwester. Modernisierungen gelten als Klassiker, wenn Vermieter die Mieten außerplanmäßig erhöhen wollen, sagt Rolf Gassmann, Vorsitzender des Mietervereins Stuttgart. Mit einigen Mietern des Hauses sei man im Gespräch. Er kritisiert, dass durch Modernisierungen oft die „Verpackung“ geändert werde, um dann zu „Extrempreisen“ weitervermieten zu können. „Die Mieter sind gut beraten, sich da nicht ins Bockshorn jagen zu lassen“, sagt Gassmann. Er hält das ganze System, die Modernisierungskosten auf die Mieter umlegen zu können, für „Irrsinn“. Eine Mieterhöhung ist gesetzlich möglich, wenn die baulichen Maßnahmen dazu führen, dass der Gebrauch der Mietsache erhöht ist oder eine nachhaltige Einsparung von Energie und Wasser bewirken. Bisher konnten elf Prozent der Kosten auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden. Seit Januar 2019 sind es acht Prozent.

Das Aktionsbündnis ruft „zum Widerstand gegen die Vertreibung“ auf

Die Mieter glauben, dass sie durch die „Luxussanierung“ vertrieben werden sollen. „Natürlich müssen manche Sachen im Haus gemacht werden“, sagt Klauke. Die Liste erscheint ihr aber arg üppig.

Das Stuttgarter Aktionsbündnis „Recht auf Wohnen“ hat nun für Samstag, 9. März, um 11 Uhr zu der Kundgebung vor der Forststraße 168 aufgerufen. „Nach der Modernisierung soll die Firmenkasse klingeln“ schreibt die Initiative auf ihren Handzetteln. Das Bündnis, welches die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus unterstützt, fordert zum „Widerstand gegen die Vertreibung aus unseren Häusern“ auf. Das Aktionsbündnis kritisiert die Schwäbische Bauwerk auch weil diese sich auf ihrer Webseite als Vorzeige-Familienunternehmen verkaufe. Dort heißt es, man werte „Bestandsimmobilien“ auf, im Mittelpunkt stehe „Nachhaltigkeit“. Man sei der Überzeugung „Vermietung heißt Verantwortung“. Der Geschäftsführer der Schwäbische Bauwerk war für ein Gespräch nicht zu erreichen.

Das Unternehmen verweist besonders auf seine Werte

Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) hat Verständnis für den Frust: „Das Problem steigender Mieten betrifft aber nicht nur Stuttgart, sondern alle Schwarmstädte mit großem Zuzug.“ Auf dem Markt zähle jede Wohnung, betont Pätzold. Daher achte die Stadt auf den Erhalt von Wohnungen, so hätte die Stadt über das Verbot der Zweckentfremdung weit mehr als 100 000 Quadratmeter Wohnraum sichern können. Auch die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) sei aktiv. In den kommenden fünf Jahren werde die städtische Wohnungsbau-Tochter rund 2000 Wohnungen neu errichten. Auch beim geförderten Wohnmarkt sei eine Trendwende in die Wege geleitet, sagt Pätzold. In den vergangenen drei Jahren seien in Stuttgart 565 Sozialmietwohnungen fertiggestellt worden.

Ulrich Wecker, Geschäftsführer von Haus und Grund Stuttgart, hat wenig Verständnis für das Bündnis: „Solange nach Recht und Gesetz modernisiert wird, ist alles in Ordnung.“ Wenn dies nicht der Fall sei, dann sei der Klageweg das richtige Mittel und keinesfalls die Straße. Und: „Wir haben auch eine Morallatte, die an Vermieter angelegt wird, das ist Wahnsinn“, sagt Wecker und betont: „Vermieter sind Kaufleute.“