Bislang haben die Stuttgarter Luxx-Studios visuelle Effekte geliefert. Unter anderem für Roland Emmerichs Action-Thriller „White House Down“. Nun wollen sie einen eigenen abendfüllenden Animationsfilm drehen. Titel: „Manou der Mauersegler“.

Stuttgart - Das wäre auch so eine Spontanwette für manische Zocker, für Leute, die Geld auf alles setzen, auch darauf, ob das nächste Auto, das um die Ecke biegen wird, ein gerades oder ungerades Nummernschild trägt: In welche Richtung wird dieser Vogel als Nächstes den Kopf drehen?

 

In den Räumen der Luxx Studios aber, nicht weit vom Hölderlinplatz im Stuttgarter Westen entfernt, gibt es dabei nichts zu zocken. Die Zeichnungen von Möwen und Mauerseglern, die momentan über einen großen Flachbildschirm laufen, sind mit klaren Bewegungspfeilen verziert. So herum wird der Kopf sich drehen, dorthin soll der Vogel sich beugen, in diese Richtung wird er sich einmal in die Lüfte schwingen.

Man ist kein Zwangsoptimist, wenn man an die Firma glaubt

Storyboard heißt so eine Folge von Einzelzeichnungen, die als Planungsgrundlage für einen Film dient. Die Luxx-Gründer Andrea Block und Christian Haas aber sichten mit einer Handvoll Mitarbeiter noch nicht einmal ein komplettes Storyboard, sondern nur eine Auswahl von Bildern, wenn auch eine mit Tonspur, mit einer Erzählerstimme. In diesem frühen Stadium eines Films bräuchte es noch nicht unbedingt Bewegungspfeile. Aber sie sind schon da, und sie signalisieren mehr als den Fleiß eines Zeichners, der vorausgearbeitet hat. Wir wissen Bescheid, wir kennen die Figuren, wir haben alles im Kopf, im Griff, im Kasten, versichern sie im Namen der Planer, denn hier wird gerade eine Idee verkauft, auch wenn dies offiziell eine ganz konkrete Arbeitssitzung ist.

Eigentlich sind die Luxx Studios eine Effektfirma, wie man früher etwas ungenau sagte, ein VFX-Spezialist, wie man das auch im Deutschen immer öfter präziser benennt. Die 2006 von den Ludwigsburger Filmakademieabsolventen Block und Haas gegründete Firma liefert Filmbilder aus dem Computer. Sie ist Teil jenes Kompetenz-Clusters, der Stuttgart, Ludwigsburg und die Region zu Dienstleistern Hollywoods gemacht hat.

Die Arbeit an Roland Emmerichs „White House Down“ hat dem Luxx-Team viel Aufmerksamkeit gebracht, zurzeit haben die Spezialisten Wes Andersons nächsten Spielfilm „Grand Budapest Hotel“ auf den Schirmen. Die Luxx Studios sind gut im Geschäft, man ist kein Zwangsoptimist, wenn man an ihr Wachstum glaubt.

Die Stuttgarter orientieren sich an Pixar

Aber neben dem Dienstleister Luxx Studios residiert in denselben Räumen und Köpfen noch die Produktionsfirma Luxx Film. Die soll eigene Produktionen stemmen, auch, aber nicht nur, weil Block und Haas ihre Fantasie manchmal frei laufen lassen wollen. „Die VFX sind ein boomender Markt, sagt Block, „aber auch ein harter. Die Auftraggeber versuchen natürlich, alles so billig wie möglich zu bekommen, und die Konkurrenz ist groß. Wir möchten ein zweites Standbein haben.“

Die Storyboard-Bilder, die vor der kleinen Gruppe über den Monitor laufen, sind Teil dieser Vision von Unabhängigkeit. „Manou der Mauersegler“ heißt das Projekt eines abendfüllenden Animationsfilms, an dem Block und Haas schon länger feilen. Der soll in der Gegend um Nizza spielen, der schönen Kulisse von Meer und Felsen und der exotischen Vegetation wegen, aber auch weil hier Kulturen aufeinandertreffen.

Kein Vorbild ist Block und Haas zu groß. „Wir orientieren uns schon an Pixar. Wir lieben ,Ratatouille‘, auch das ist ein Grund, warum wir uns für ein französisches Setting entschieden haben“, sagt Haas. Wie Pixar möchten sie zweite und dritte Erzählebenen anbieten, möchten auch sie das Kindgerechte durch das erwachsen Hintergründige ergänzen. In „Manou“ soll es um Ausgrenzung und Gruppenbildung, um Vorurteile und Anpassung gehen, in einer Tricktierwelt, in der Möwen und Mauersegler einander suspekt, wenn nicht gar Feind sind, bis der Mauersegler Manou unter Möwen aufwächst.

„Manou“ steht noch relativ am Anfang und hat doch schon eine Ochsentour hinter sich durch Fördergremien und Wettbewerbe bei Filmfestivals – denn Förderung und Preise gibt es sinnigerweise auch schon für die diversen Entwicklungsstufen von Konzepten und Drehbüchern. Beim Cinekid-Festival in Amsterdam etwa hat „Manou“ einen Drehbuchpreis gewonnen, und die Medien- und Filmgesellschaft baden-Württemberg hat 70 000 Euro bewilligt, mit denen einige Szenen fertig computeranimiert werden sollen. Ein Trailer soll entstehen, der Finanziers und Vorabkäufern eine konkrete Vorstellung von dem gibt, worauf sie sich einlassen.

Weitere Begeisterte sollen gewonnen werden

Um diesen Trailer geht es jetzt. Block und Haas haben ein paar Szenen vorausgewählt, aber es sind noch zu viele. Das Team soll entscheiden, welche Schlüsselmomente animiert werden sollen, welche Szenen in einem Trailer den größten Eindruck hinterlassen werden. Aber es geht im Untergrund auch noch um etwas anderes. Block und Haas wollen weitere Begeisterte gewinnen. Sie stellen die Wirkung ihres Grundentwurfs auf die Probe, sie wollen ab sofort ein paar mehr Leute in der Firma haben, die es nicht erwarten können, bis der Mauersegler und die Möwen tatsächlich fliegen und die Bewegungen Bewegungen sind und keine aufgemalten Pfeile mehr.

In den Luxx-Räumen war zuvor die koptische Kirche in Stuttgart untergekommen. Die bunten Motivfenster sind noch da, und man kann das symbolisch deuten, wie Filmbilder heute eine Unruhe beantworten, auf die früher der Glaube reagierte. Man kann auch, etwas zurückgenommener, vermuten, die Symbolik des Ortes erinnere die Verantwortlichen wohl immer wieder daran, dass es nicht nur auf Werkzeuge, Talent und Handwerksgeschick ankommt, sondern auch darauf, dass das Team an ein Projekt glaubt.

Etwas entstehen lassen, das im Anschauen lebendig wird

„Die Ratten im Weinkeller finde ich sehr eindrucksvoll“, meldet nach der Sichtung einer seinen Favoriten an. „Die Szenen auf den Klippen mit dem Wind von vorne ist ziemlich stark“, setzt ein anderer dagegen. Ein Dritter hat sich noch einmal anders entschieden: „Dieser komische Hahn da ist mein Liebling.“ Mit solcher Parteinahme beginnt der Aneignungsprozess, die Übertragung der fremden Fantasie ins eigene Herz. Schließlich sollen bald alle ihr Bestes für eine Bande Vögel geben, sollen ihren Job nicht bloß als Job sehen, sondern als Chance, etwas entstehen zu lassen, was im Anschauen lebendig wird und nach dem Anschauen lebendig bleibt.

„Manou“ wird bald seine ersten Flüge unternehmen. Das virtuelle Skelett, mit dessen Hilfe der Computer ihn bewegen kann, wird gerade verfeinert. Aus dem Ei ist Manou also glücklich geschlüpft. Wir werden ab und an bei Luxx vorbeischauen und berichten, wie er sich entwickelt.

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