Sie sammelte alte Dekrete, Aufrufe, Gedichte und wob sie in Klänge und Gegenwartszitate ein: Wie sich Ludwigsburg für die Stadtschreiberin Rike Scheffler anhört.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Ludwigsburg - Eine Kaffeemühle quietscht. Leise klirrt eine Porzellantasse. Ein Glockenspiel lässt Kindheitserinnerungen aufblitzen, Piccoloflöte und Schellentrommel wecken Militärmusik-Assoziationen. Und in der Ferne, so scheint es, rattert eine Dampflok vorbei. Die akustischen Impressionen, die Lyrikerin Rike Scheffler und Klarinettist Claudio Puntin mit Instrumenten und Objekten live auf der Bühne erzeugen, lassen Wegmarken der Ludwigsburger Geschichte anklingen: die Kaffeefabrik, die Porzellanmanufaktur, der Märchengarten, der Militärstandort, der Eisenbahnknoten. Sie sind Teil einer Klangcollage, die wiederum Extrakt ist aus den zwei Monaten, die Rike Scheffler als Stadtschreiberin auf Spurensuche war. Bei der Langen Nacht der Poesie gab es das Loop-Poem über Ludwigsburg erstmals zu hören.

 

Hochverdichtet packt Scheffler, Jahrgang 1985, Materialien und Eindrücke zum 300-Jahr-Jubiläums-Motto „Stadt werden“ in die Collage. Sie verwendet Flugblätter, Aufrufe, Gedichte und setzt dabei ganz auf die Wirkmacht und Magie der Sprache, mit der sie feinsinnig experimentiert. Ausgangspunkt ist ein Aufruf Herzog Eberhard Ludwigs zur Ansiedlung, in dem er den „lieben Getreuen“ unter anderem Platz und Baumaterialien „gratis und ohne Entgelt“ zusichert. Ein weiteres spannendes Zeitdokument ist ein Ersuchen der Kaffefabrik Franck an ihre Arbeiter, sich gerade nicht in der Stadt mit ihren „Wirtshäusern und liederlichen Orten“ niederzulassen, sondern auf dem Land, wo auch die Frauen zum Lebensunterhalt beitragen könnten.

Die Themen „Platz finden“ und „Einander Platz lassen“ durchziehen Schefflers Collage als roter Faden und führen ins Ludwigsburger Jetzt – mit Zitaten von Ludwigsburger Bürgern wie „Ein Intendant wird gefeuert, weil er zu wenig Show war“ oder „Nach dem Abbrennen der Ludwigsburger Synagoge 1938 gibt es bis jetzt keine Neugründung einer jüdischen Gemeinde. Nur die Hindenburgstraße, die ist noch da.“

Was Rike Scheffler persönlich an Ludwigsburg gefällt? Die grünen Stühle für alle im öffentlichen Raum. Und dass die Bürger „die Reißbrett-Wege der Idealstadt“ abkürzen und eigene suchen. „Bedürfnisse“, sagt sie, „kann man eben nicht vorausplanen.“