Brüssel will hoch verschuldeten Staaten mehr Zeit geben, ihre Defizite abzubauen. Doch nicht alle Länder wollen dabei mitziehen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Eine zentrale Neuerung bei der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ist, dass hoch verschuldete Staaten in Zukunft mehr Zeit für den Abbau ihres Defizits bekommen sollen. Geplant ist auch die Möglichkeit individuelle Pläne für die Rückzahlung auszuhandeln, die allerdings von den anderen EU-Staaten gebilligt werden müssen. Dabei könnten Faktoren wie Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung berücksichtigt werden. Zudem sollen die fälligen Geldbußen bei Verstößen gegen die geltenden Regeln deutlich niederer ausfallen, sie sollen allerdings konsequenter verhängt werden.

 

Die Vorgaben werden von vielen Staaten nicht erfüllt

Trotz dieser Veränderungen will die EU-Kommission grundsätzlich an den sogenannten Maastricht-Kriterien festhalten. Das heißt, dass die Staaten auch in Zukunft Schulden von maximal 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung machen dürfen. Zudem müssen die Defizite unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Diese Vorgaben werden im Moment allerdings von vielen EU-Staaten nicht erfüllt, da sie im Kampf gegen die Corona-Pandemie und die Folgen des Krieges in der Ukraine die massiven finanziellen Hilfen für ihre Bürger über Schulden finanziert haben. Aus diesem Grund wurden die Maastricht-Kriterien bis 2024 ausgesetzt.

Normalerweise müssen Staaten fünf Prozent der Schulden, die über der 60-Prozent-Marke liegen, pro Jahr zurückzahlen, Sehr hoch verschuldete Länder wie Italien oder Griechenland würde das allerdings in den Bankrott treiben. Joachim Schuster, finanzpolitischer Sprecher der Europa-SPD, erklärte am Mittwoch: „Mit Hinblick auf die unterschiedlichen Schuldenstände innerhalb der EU ist es sinnvoll und notwendig, mehr Flexibilität zuzulassen.“

Viele Parlamentarier sehen die Regeln positiv

Die meisten Europaabgeordneten sehen die neuen Regeln grundsätzlich positiv. Der FDP-Parlamentarier Moritz Körner sagt dazu: „Realistischere und verbindlichere Schuldenabbauregeln helfen allen. Die bisherigen Regeln haben ihr Ziel, die Schuldenstände der Mitgliedstaaten zu reduzieren, nachweisbar verfehlt.“ Beide Politiker betonen allerdings, dass die Einhaltung der Regeln in Zukunft genau überwacht und Übertretungen auch konsequent verfolgt werden müssen.

Über die nun von der EU-Kommission vorgelegten neuen Regeln zeichnen sich zähe Verhandlungen ab. Vor allem hoch verschuldete Länder wie Italien und Frankreich dringen auf mehr Spielraum. Deutschland und „sparsame“ Länder wie Österreich wollen ein Aushöhlen des Pakts dagegen verhindern. Aus diesem Grund sieht die EU-Kommission das Papier als eine Diskussionsgrundlage, über die Finanzminister im Dezember beraten werden. Ziel ist es, im Frühjahr einen Gesetzesvorschlag zu präsentieren und die Regeln 2024 umzusetzen.