Wer macht das Rennen um die Merkel-Nachfolge: Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz oder Jens Spahn? Die Noch-Generalsekretärin könnte lachende Dritte sein, wenn sich die Herren bis zum Schluss gegenseitig Konkurrenz machen. Also kommt es auch auf deren Strategie an.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - An diesem Dienstagabend diskutiert der Vorstand der nordrhein-westfälischen CDU über die Kandidatenkür der Partei. Es ist im Wettbewerb um die Merkel-Nachfolge der wichtigste Landesverband, denn sowohl der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz als auch Gesundheitsminister Jens Spahn kommen aus NRW: Merz aus dem Sauerland und Spahn aus dem Münsterland. Lange war die leidgeprüfte CDU an Rhein und Ruhr nicht mehr so wichtig. Auf dem Bundesparteitag Anfang Dezember in Hamburg ist sie mit fast einem Drittel der rund 1000 Delegierten ein Schwergewicht. Umso interessanter wird es sein, welchen Fingerzeig die Christdemokraten geben, wenngleich es keine offizielle Empfehlung geben wird. CDU-Landeschef Armin Laschet lehnt geschlossene Voten einzelner Landesverbände ab – er will alle Delegierten frei entscheiden lassen. Dazu vier mögliche Szenarien.

 

Merz und Spahn kandidieren gegeneinander: Friedrich Merz und Jens Spahn haben vieles gemeinsam. Sie gelten als wertkonservative Politiker und wollen den Bürgern ihr Heimatgefühl zurückgeben. Sie sind offene Kritiker insbesondere der Migrationspolitik von Angela Merkel. Merz ist ein Mann der Wirtschaft – Spahn dürfte eine solche Nähe zumindest keine größeren Probleme bereiten. Zudem sind sie beide überzeugte Transatlantiker, somit aufgeschlossen für eine Festigung der angeschlagenen deutsch-amerikanischen Partnerschaft. Merz steht dem Netzwerk „Atlantik-Brücke“ vor – Spahn trifft sich gern mit US-Botschafter Richard Grenell. Mit ihrem in Teilen ähnlichen Profil dürften sich beide Topbewerber aber auf dem Bundesparteitag gegenseitig Stimmen wegnehmen, sollten sie gegeneinander antreten. Dies würde die dritte wichtige Kandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer in die Favoritenrolle bringen. Diese hat schon mal die einstimmige Nominierung ihres Heimatverbandes in der Tasche – so geschehen am Montag. Auch Ministerpräsident Laschet, der als loyaler Merkel-Unterstützer gilt, dürfte eher der Saarländerin zuneigen. Daher hat er zuletzt vor einem Rechtsruck der CDU gewarnt und Spahn für Äußerungen zur Flüchtlingspolitik kritisiert. Auch den Kieler Ministerpräsidenten Daniel Günther hat Kramp-Karrenbauer offenkundig hinter sich.

Jens Spahn verzichtet vorzeitig: Über diese Variante wird derzeit am meisten spekuliert. Um sich nicht gegenseitig zu neutralisieren und der Merkel-Getreuen Kramp-Karrenbauer das Feld zu überlassen, könnte entweder Friedrich Merz oder Jens Spahn kurz vor der entscheidenden Abstimmung zurückziehen und dem Rivalen das Feld überlassen. Dabei dürfte es aber nur einen geben, der verzichtet: Spahn. Er ist erst 38 Jahre alt und kann locker abwarten, bis Merz seine Mission, den Merkel-Kurs zu korrigieren, erfüllt sieht. Es wäre zum Beispiel auch gut denkbar, dass sich beide entsprechend verabreden – etwa mit der Möglichkeit, dass Spahn zunächst mal nur Fraktionsvorsitzender wird (wenngleich dann ein weiterer Westfale, Ralph Brinkhaus, sogleich wieder aus dem Amt verdrängt werden müsse). In jedem Fall würde Spahn für die Zukunft als Thronfolger gelten – an ihm kämen andere nur noch schwer vorbei. Der Gesundheitsminister twitterte am Montag, er freue sich auf einen fairen Wettbewerb in den nächsten Wochen. „Wir werden zuhören, debattieren und dann entscheiden. Und anschließend weiter gut zusammenarbeiten.“ Diese Sätze lassen auf einen Pragmatismus schließen – Spahn wird den Machtkampf keineswegs auf die Spitze treiben wollen.

Friedrich Merz überlässt Spahn das Feld: Dies ist das unwahrscheinlichste aller Szenarien. Merz will es unbedingt wissen. Er hat seine Bewerbung offenbar gut vorbereitet – beispielsweise im engen Kontakt mit dem baden-württembergischen Landesvorsitzenden Thomas Strobl, der als einer der Hintermänner der Merkel-Ablösung gilt. Wenn der starke Landesverband im Südwesten eher in seine Richtung tendiert, hätte Merz schon mal zahlreiche Stimmen sicher. Zudem wird er am 11. November 63 Jahre alt – für ihn ist es die letzte Chance auf eine Rückkehr in die Politik. Zwar wäre er nur ein Übergangsvorsitzender und gegebenenfalls Übergangskanzler – aber dies mag ihm Befriedigung genug sein. Auf diese Aussicht wird er keineswegs vorzeitig wollen, es sei denn, Spahn würde aus CDU-Sicht doch eher zur Rolle des Modernisierers passen. Denn einen Rückfall in die Zeit der ersten Merkel-Jahre dürfte die CDU in großen Teilen ablehnen.

Die Stichwahl: Am Ende könnte es auf Variante vier hinauslaufen – die Stichwahl. Diese ist laut Parteistatut erforderlich, wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang auf mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen kommt. Daraus folgt: Entweder Merz oder Spahn könnten im Duell der zwei Stimmbesten darauf hoffen, die Anhänger des jeweils anderen zu sich herüber zu ziehen. Ohne Risiko ist diese Strategie allerdings nicht. Kramp-Karrenbauer würde zwar nicht mehr direkt davon profitieren, dass Merz und Spahn zu einem Parteiflügel gezählt werden, könnte aber auch hier noch die lachende Dritte sein – es sei denn, die Herren sorgen für entsprechende Vorabsprachen beim eigenen Anhang.