VW-Chef Martin Winterkorn gewinnt den Machtkampf gegen den VW-Patriarchen Ferdinand Piëch – doch abschreiben sollte man Piëch nicht, meint StZ-Autoexperte Harry Pretzlaff.

Stuttgart - Das ist bitter für Ferdinand Piëch: Ausgerechnet an seinem 78. Geburtstag verkündet der VW-Konzern die Niederlage des Aufsichtsratsvorsitzenden im Machtkampf mit Vorstandschef Martin Winterkorn. Piëch hatte Winterkorn massiv angeschossen, indem er öffentlich auf Distanz zu ihm ging. Das Präsidium des Aufsichtsrats dagegen stärkt dem Vorstandsvorsitzenden nun demonstrativ den Rücken, rühmt ihn als bestmöglichen Chef und kündigt sogar schon an, dass Winterkorns Vertrag im nächsten Jahr verlängert werden soll.

 

Diese Erklärung des Präsidiums ist eine Überraschung. Denn in der Vergangenheit hat Ferdinand Piëch bei den wichtigen Auseinandersetzungen stets gesiegt. Die beiden Familienstämme der Porsches und Piëchs sind bisher, wenn auch manchmal mit Murren und nicht immer sofort, den Vorschlägen Ferdinand Piëchs gefolgt und auch die mächtigen Betriebsräte konnte der gewiefte Stratege immer wieder mit gewissen Versprechungen auf seine Seite ziehen. Dieses Mal hat er die Kräfteverhältnisse jedoch falsch eingeschätzt. Sowohl die Arbeitnehmervertreter als auch das Land Niedersachsen hatten sich von Anfang an hinter Winterkorn gestellt, der in den vergangenen Jahren trotz einiger Schwachpunkte eine Erfolgsgeschichte geschrieben hat. Unter seiner Führung hat der Wolfsburger Konzern die globale Präsenz deutlich ausgebaut und zugleich die heimischen Standorte gesichert. Der VW-Konzern ist heute beim Gewinn zwar nicht Spitze, aber alles andere als ein Sanierungsfall. Angesichts dieser Leistungen hat es Piëch nicht geschafft, die Aufsichtsräte davon zu überzeugen, dass ein Jüngerer die Führung des Autokonzerns übernehmen sollte.

Zudem dürfte große Verärgerung hervorgerufen haben, dass Piëch den Sturz Winterkorns mit einem öffentlichen Rüffel erzwingen wollte. Diese Vorgehensweise wirft ein schlechtes Licht auf den Umgang zwischen den wichtigsten Männern des Konzerns. Es ist ein Armutszeugnis, wenn es nicht gelingt, in vertraulichen Gesprächen Einigkeit über einen Generationswechsel zu erzielen. Ausgerechnet der VW-Konzern, der so stolz ist auf seine Tradition des sozialen Miteinanders, ist damit zu einem Negativbeispiel geworden. Wie man es richtig macht, zeigt BMW, wo dies völlig geräuschlos gelingt und Produktionschef Harald Krüger mit der Hauptversammlung im Mai den Vorstandsvorsitzenden Norbert Reithofer an der Spitze ablöst.

Die rücksichtslose Vorgehensweise Ferdinand Piëchs zeugt von einer Gutsherrenart, die nicht zu den Regeln einer Aktiengesellschaft passt. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche verhält sich wie ein Familienunternehmer, der alle nach seiner Pfeife tanzen lässt. Er hat sich in seiner Zeit als Manager, Vorstands- und Aufsichtsratschef des Wolfsburger Konzerns gewiss viele Verdienste erworben. Doch es ist gut, dass ihm nach dieser rabiaten Aktion seine Grenzen aufgezeigt worden sind.

Für VW war es wichtig, dass die Führungskrise rasch beigelegt worden ist. Ein anhaltender Machtkampf hätte das Unternehmen gelähmt, weil die Manager des Autokonzerns nicht mehr gewusst hätten, wer jetzt das Sagen hat. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie Ferdinand Piëch mit dieser Niederlage umgeht. Er ist nicht bekannt dafür, dass er klein beigibt. In der Vergangenheit hat der VW-Patriarch vielmehr bewiesen, dass er ein Meister der Zermürbungstaktik ist. Piëch schwächte im Frühjahr 2006 auch Bernd Pischetsrieder zunächst mit öffentlich geäußerten Zweifeln an dessen Zukunft als VW-Chef. Wenige Monate danach wurde Pischetsrieders Vertrag um fünf Jahre verlängert, doch zum Jahresende musste er gehen. Winterkorn muss sich nun anstrengen, denn sonst droht ihm womöglich das gleiche Schicksal wie seinem Vorgänger.