Im Deutschen Beamtenbund tobt ein einzigartiger Streit um die neue Führung. Es geht um die künftige Ausrichtung der Lobbyarbeit für den öffentlichen Dienst. Der Herausforderer für die Wahl am 20. November ist nicht ganz chancenlos gegen den Platzhirschen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Mann steht unter Strom: Gleich auf die erste Frage folgt ein sechsminütiger Monolog im Eiltempo – als hätte Ernst G. Walter nicht mehr Zeit, um seine Kandidatur zu begründen. Der oberste Bundespolizeigewerkschafter vermittelt wachsende Zuversicht, dass er am 20. November auf dem Gewerkschaftstag in Berlin zum neuen Chef des Deutschen Beamtenbundes (DBB) gewählt werden könnte. „Einen Zuspruch in dieser Vehemenz habe ich nicht erwartet“, berichtet der 58-Jährige euphorisch nach etlichen Vorstellungsterminen bei Mitgliedsgewerkschaften und Landesbünden.

 

Auffällig ist, dass Ulrich Silberbach (56), bisher einer der Stellvertreter des scheidenden Vorsitzenden Klaus Dauderstädt, kaum Wahlkampf macht, während Walter die Zeit zur Profilierung nutzt. Das kennt man: Der Außenseiter kämpft gegen das Establishment. Der Favorit sollte sich seiner Wahl nicht zu sicher sein.

„Schwachsinnsgesetz von Frau Nahles“

Es geht um die generelle Ausrichtung des Beamtenbundes, der Walter zu zahm und zu schwerfällig geworden ist: „Der DBB ist nicht wirkungsvoll, wenn er nicht laut ist“, sagt er. „Wir müssen stärker in die Öffentlichkeit, und wir müssen eine intensivere Lobbyarbeit in der Politik betreiben.“ In einer Zeit, wo das Berufsbeamtentum massiven Anfeindungen ausgesetzt werde, sei die Offensive gefragt. Als Beispiel nennt er das „Schwachsinnsgesetz von Frau Nahles“ zur Tarifeinheit. Dagegen jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu klagen, bringe nicht viel. Man müsse es politisch bekämpfen. „Aktuell fehlt mir eine aktive Arbeit der Bundesleitung bei den Parteien, die jetzt in Sondierungsverhandlungen stecken“, sagt Walter, der Anfang 2017 in die FDP eingetreten ist. Liberale und Grüne hätten das Gesetz im Vorfeld abgelehnt. Jetzt müsse man für eine Rücknahme im Koalitionsvertrag werben. „Da tut der DBB genauso zu wenig wie zur Attraktivitätssteigerung des Berufsbeamtentums.“

„Dürfen unseren Markenkern nicht verlieren“

Dies ist eine Anklage gegen Dauderstädt, aber auch gegen Silberbach, der als Komba-Chef seit vielen Jahren in der Führung mitmischt. Zur Kandidatur ermuntert wurde Walter von den Ehrenvorsitzenden Peter Heesen und Horst Bäuerle aus Stuttgart. Beide wollen unbedingt wieder einen Beamten an der Spitze des DBB sehen – und einen weiteren Tarifmann (nach Dauderstädt) verhindern. Weil auch Polizeihauptkommissar Walter zunächst allein auf die Beamtenkarte gesetzt hat, um den Angestellten Silberbach auszustechen, wurde ihm der Vorwurf gemacht, die Organisation zu spalten. Deshalb betont er nun, dass er den Tarifbereich „für absolut existenziell“ hält. „Wir brauchen beide Teile.“ Es sei allerdings eine Tatsache, dass 919 000 von 1,3 Millionen DBB-Mitgliedern Beamte sind. „Deswegen dürfen wir unseren Markenkern nicht verlieren.“

Landesbund-Chef Volker Stich widerspricht: „Ich kann nicht nachvollziehen, dass wir das Beamtenfeld in den vergangenen fünf Jahren zu wenig berücksichtigt hätten“, sagt er. „Wir haben auch dort auf Verbesserungen geachtet.“ Überhaupt sei sein Landesbund nicht der Auffassung, dass unbedingt ein Beamter an der DBB-Spitze stehen müsse. Noch mehr Vorbehalte gegen Walter gibt es ausgerechnet in der Polizeigewerkschaft (DPolG), deren Vize er ist. Dort wird ihm ein Alleingang vorgehalten. Der Kandidat redet auch diesen Widerstand klein: „Die Masse der Delegierten der Polizeigewerkschaft wird mich wählen – da bin ich mir hundertprozentig sicher“, sagt Walter.

Stich hält das Rennen für offen

Im Umfeld der DBB-Bundesleitung schätzt man seine Chancen nur auf 40:60. Silberbach ist eng vernetzt und hat die Zeit wohl zum Schmieden von Koalitionen genutzt. Möglich, dass ihm führende Funktionäre einen Gefallen schulden und ihre Delegierten zu seinen Gunsten beeinflussen. Wenn Walter jedoch eine fulminante Rede hält, könnte er viele noch überzeugen. Es ist für ihn schon ein Erfolg, dass man ihn ernst nimmt. „Ich würde nicht sagen: Das Rennen ist zugunsten eines Kandidaten gelaufen“, sagt Stich. Es werde stark von den Auftritten abhängen. Keiner der Kandidaten durfte sich im Südwesten offiziell vorstellen, die Landesleitung will neutral bleiben. Es gebe Pro- und Kontra-Argumente für beide, sagt Stich. Walter hat somit den Nerv vieler Beamtenvertreter getroffen.