Machtkampf beim VfB Stuttgart Claus Vogt raus? Das sind die Manöver der alten Seilschaften

Die Zustände beim VfB Stuttgart bleiben undurchsichtig Foto: Baumann

Tricksen, Tarnen, Täuschen: Wie im Vorstand, dem Präsidium und dem Vereinsbeirat des VfB Stuttgart auch weiterhin alles dafür getan wird, den Clubchef Claus Vogt aus dem Amt zu drängen.

Stuttgart - Die Cannstatter Kurve wird auch an diesem Samstag leer bleiben. Sehr bedauerlich ist das für die junge Mannschaft des VfB Stuttgart, die sich gegen Hertha BSC des bedingungslosen Rückhalts der Fans sicher sein dürfte. Heilfroh hingegen werden die Funktionäre sein, zumindest jene, die nicht Claus Vogt heißen. Der geballten Wut des Anhangs sähen sie sich ausgesetzt, nachdem sie so viel dafür getan haben, ihren Club ins komplette Chaos zu stürzen.

 

Noch immer sträubt sich die VfB-Führung um Vorstandschef Thomas Hitzlsperger mit Händen und Füßen, sich selbst und den Mitgliedern einzugestehen, was immer offensichtlicher wird: Dass auch nach dem Ende der Esecon-Ermittlungen zur Datenaffäre getrickst, getarnt und getäuscht wird; dass der Selbsterhaltungstrieb sehr viel ausgeprägter ist als die Sorge um den eigenen Verein; dass das über allem stehende Ziel darin besteht, in Claus Vogt einen Präsidenten loszuwerden, der sich standhaft weigert, die bisherigen Spielregeln zu befolgen. Es ist das wohl letzte Gefecht der alten VfB-Seilschaft, das in allen Gremien erbittert geführt wird.

Das Präsidium

Mit der üblichen 2:1-Mehrheit haben zuletzt Bernd Gaiser und Rainer Mutschler wieder einmal Clubchef Vogt überstimmt – diesmal in der Frage der Terminierung der Mitgliederversammlung. Für eine Verlegung in den Frühsommer oder Herbst hatte Vogt plädiert, eine Forderung die auch aus der gesamten organisierten Fanszene geäußert wird. Doch Gaiser und Mutschler beharrten weiter darauf, die Veranstaltung möglichst früh und rein virtuell über die Bühne bringen – und benötigten bis Freitagabend, um auch offiziell den erwarteten Termin zu verkünden. 28. März. Abgelehnt wurde von ihnen auch der Vorschlag, eine Mitgliederbefragung durchzuführen, wie Vogt wenig später erklärte.

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Die große Frage lautet: Warum ist Mutschler überhaupt noch im Amt und darf wichtige Entscheidungen treffen? Weil er im Auftrag der Seilschaft dafür sorgen muss, dass im Präsidium eine Mehrheit gegen Vogt bleibt? Tatsache ist, dass Mutschler als Projektleiter der Ausgliederung 2017 eine der zentralen Figuren der Datenaffäre war. Woran es schon von Beginn an wenig Zweifel geben konnte, haben zuletzt alle juristischen Berichte bestätigt.

Kein Wunder also, dass am Freitag von prominenter Stelle die Forderung erhoben wurde, Mutschler solle „umgehend seinen Rücktritt aus dem Präsidium erklären“. Zu den Unterzeichnern gehörten unter anderen die ehemaligen Präsidentschaftsbewerber Susanne Schosser, Martin Bizer und Christian Riethmüller sowie die Grünen-Politikerin Brigitte Lösch. Sie rufen zudem dazu auf, ein Vereinsausschlussverfahren einzuleiten.

Der Vereinsbeirat

Vergiftet ist seit Wochen die Atmosphäre in jenem Gremium, das als gewählte Vertretung der mehr als 70 000 Mitglieder für die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten zuständig ist. Eine Verlegung der Mitgliederversammlung hätte sich zwar auch der Vorsitzende Wolf-Dietrich Erhard gewünscht – vor allem aber aus einem Grund: Bei der Suche nach geeigneten Kandidaten gab es bisher nur Absagen.

In dieser Woche haben die vom Beirat beauftragten Headhunter einige Interessenten präsentiert – ein Hochkaräter, so heißt es, sei nicht darunter. Auch das kein Wunder: Wer käme in der derzeitigen Situation auf die Idee, VfB-Präsident werden zu wollen?

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Offen bleibt weiterhin die Frage, warum sich Teile des Beirats so sehr dagegen sträuben, den Amtsinhaber zu nominieren. Etwaige Verfehlungen Vogts wurden (jenseits der Pauschalattacken von Thomas Hitzlsperger) bis heute nicht benannt. Keine Antwort gibt es auch auf die erneute Frage unserer Redaktion, ob die Nominierung wie angekündigt erst nach Veröffentlichung der Ergebnisse in der Datenaffäre erfolgt. Stattdessen stehen Gerüchte im Raum, dass bereits in den nächsten Tagen eine Entscheidung fällt.

Der AG-Vorstand

Die Kontrolle über die Aktiengesellschaft, dessen Vorstandsvorsitzender er ist, hat Thomas Hitzlsperger scheinbar komplett verloren und das Heft des Handelns in die Hände von Juristen übergeben. Ein Staranwalt geht in seinem Auftrag gegen Vorwürfe vor, die in Esecon-Dokumenten auftauchen; die Kanzlei Osborne Clarke hat im AG-Auftrag deren rechtliche Bewertung übernommen.

Das Gutachten werde „voraussichtlich Ende Februar“ vorliegen, sagt Hitzlsperger und bittet um Geduld: „Wichtig ist, dass wir das jetzt sauber aufarbeiten, auch wenn das dem einen oder anderen zu langsam geht.“ Erst Ende Februar? Verstrichen wäre bis dahin die Zwei-Wochen-Frist, die maximal zwischen dem Vorliegen der Ergebnisse und einer daraus resultierenden Kündigung von Mitarbeitern liegen darf.

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Längst geht es aber nicht mehr nur um Rainer Mutschler, den Kommunikationschef Oliver Schraft und den Marketingleiter Uwe Fischer – auch der komplette Vorstand ist in schwerer Bedrängnis. Finanzchef Stefan Heim und Marketingvorstand Jochen Röttgermann wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an der Datenaffäre; Thomas Hitzlsperger wegen seiner unrühmlichen Rolle bei der Aufklärung und der seit Ende Dezember tobenden Führungskrise, die er mit seinem offenen Brief ausgelöst hat. Am Aufsichtsrat läge es, Vorstände abzuberufen – doch sind dort noch weitere Anwälte damit beschäftigt, den Abschlussbericht zu interpretieren. Wie lange noch? Unbekannt.

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