Stuttgart - Der VfB Stuttgart steckt in der Zwickmühle – vereinspolitisch betrachtet. Denn ganz gleich, welchen nächsten Zug die Clubführung nun vollzieht, sie wird gegenüber ihren mehr als 70 000 Mitgliedern weiter an Vertrauen verlieren. Zu tief ist der Riss, der den Fußball-Bundesligisten durch den Machtkampf zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger und dem Präsidenten Claus Vogt durchzieht.
Hier steht das Lager des AG-Bosses Hitzlsperger, der beteuert, durch den Griff nach der Präsidentschaft nicht die absolute Macht beim VfB anzustreben, sondern nur den Aufschwung sichern zu wollen. Dort positioniert sich die Gruppe um den e.V.-Chef Vogt, der angibt, lediglich seiner Kontrollfunktion nachzukommen und vor allem die Datenaffäre aufklären zu wollen.
Die Parteien stehen sich unversöhnlich gegenüber
Die Bedeutung dieser pikanten Angelegenheit um die Weitergabe von Mitgliederdaten an Dritte hat Hitzlsperger unterschätzt. Zumal der Zwischenbericht der externen Ermittler gleich zwei Verdachtsmomente nahelegt. Erstens: Die Vorwürfe treffen zu. Zweitens: Die Untersuchungen beim VfB wurden erschwert – weshalb der Druck auf Hitzlsperger steigt. Er ist zwar mutmaßlich nicht in den Skandal verwickelt, aber seine Rolle bleibt unklar. Dadurch erklärt sich die Enttäuschung über Hitzlsperger, der bisher Glaubwürdigkeit ausstrahlte. Jetzt schwindet die Popularität des Meistertorschützen von 2007 – und mit ihr die Hoffnung, der Konflikt ließe sich noch lösen. Unversöhnlich stehen sich die Parteien gegenüber. Allerdings ist es für die meisten Fans nur schwer nachvollziehbar, warum beim VfB überhaupt ein Streit tobt. Sportlich läuft es doch, und die Führungsetage hat es versäumt, die Probleme zu benennen. So ist eine Diskrepanz zwischen den inneren Abläufen beim VfB und der äußeren Wahrnehmung entstanden.
Lesen Sie hier: Die Chronologie der VfB-Führungskrise
Viel wird derzeit über Hitzlspergers brachiales Vorgehen diskutiert, wenig jedoch über seine inhaltlichen Vorwürfe. Viel wird auch über Vogts aufklärerisches Ansinnen geredet, aber wenig über seine Neigung, sich von Beratern lenken zu lassen. Inmitten all dieser Irrungen und Wirrungen steht der Vereinsbeirat – von den Mitgliedern gewählt und womöglich damit überfordert, auf der Versammlung am 18. März zwei kompetente Präsidentschaftskandidaten zur Wahl zu stellen.
Kein funktionierendes Krisenmanagement
Vogt oder Hitzlsperger – das ist letztlich die Frage. Die Antwort müsste wohl lauten: Keiner von beiden als Präsident. Dem einen wird die Eignung abgesprochen, und der andere darf es eigentlich nicht. Vogt hat sich in seiner Funktion als Aufsichtsratschef zu häufig ungeschickt angestellt. Doch der Unternehmer ist eben der durch eine Wahl legitimierte VfB-Präsident. Ihn diesmal nicht zu nominieren gleicht einem Affront und würde den ohnehin vorhandenen Eindruck vieler Fans verstärken: Ihr da oben macht, was ihr wollt, und wir da unten können schauen, wie wir damit zurechtkommen.
Lesen Sie hier: Alles zum VfB in unserem Newsblog
Im Fall von Hitzlsperger gibt es moralisch-ethische Bedenken. Er dürfe nicht beide Posten innehaben, betonen viele Vereinsmitglieder zu Recht. Im Grunde will der Ex-Nationalspieler auch gar nicht Präsident werden, er will nur Vogt verhindern. Sollte der Vereinsbeirat beide nicht nominieren, würde Hitzlsperger trotz seiner rüden Methoden als Sieger hervorgehen, sofern er aufgrund der abschließenden Erkenntnisse in der Datenaffäre Vorstandschef bleiben kann. Es gehört jedoch nicht zu den Aufgaben des AG-Chefs, die Kandidatenauswahl zu beeinflussen. Die Mitglieder entscheiden, und es wäre vielmehr die Verantwortung des Vorstandes und des Aufsichtsrates auf der AG-Seite sowie des Präsidiums und des Vereinsbeirates auf der e.V.-Seite gewesen, früh ein funktionierendes Krisenmanagement zu betreiben.
Die VfB-Granden dürfen sich also nicht über die verheerende Entwicklung beklagen. Das Dilemma ist hausgemacht.