Machtkampf beim VfB Stuttgart Warum der Vereinsbeirat eine Schlüsselrolle hat

Präsident Claus Vogt (links) und Vorstandschef Thomas Hitzlsperger verstehen sich beim VfB Stuttgart schon seit Monaten nicht mehr. Foto: Baumann

Thomas Hitzlsperger gegen Claus Vogt – beim VfB Stuttgart wird eine Schlammschlacht ausgetragen. Dabei kommt dem Vereinsbeirat erneut viel Bedeutung zu. Doch diesmal steckt das Gremium in einem Dilemma.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Pellegrino Matarazzo hat die Mannschaft des VfB Stuttgart nach dem vereinspolitischen Beben an der Mercedesstraße erst einmal um sich versammelt. Der Trainer hat die Führungskrise beim Fußball-Bundesligisten angesprochen, und er hat den Spielern deutlich gemacht, dass der noch im alten Jahr ausgebrochene Machtkampf auf der obersten Clubetage zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger und dem Präsidenten Claus Vogt keinen Einfluss auf die sportlichen Leistungen haben darf. Der Fokus liegt auf der Bundesliga.

 

Bei einigen Profis muss sich Matarazzo offensichtlich keine Sorgen machen. Sie hatten noch nicht einmal mitbekommen, dass das Clubhaus mit dem roten Dach am vergangenen Donnerstag von innen heraus erschüttert worden war, nachdem Hitzlsperger nun als Präsident kandidieren will. Der Trainer selbst hält sich ebenfalls aus dem Konflikt heraus. „Ich lasse dieses Thema nicht in mein Energiefeld“, sagt der Chefcoach vor dem Heimspiel an diesem Samstag (20.30 Uhr/DAZN) gegen RB Leipzig.

Der Vereinsbeirat kann eigene Kandidaten ansprechen

Hinter den sportlichen Kulissen rauchen jedoch die Köpfe. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei der Vereinsbeirat ein. Augenblicklich ein achtköpfiges Gremium, da eine Stelle nach dem Rücktritt von Dieter Göggel noch zu besetzen ist. Im Sinne des großen Ganzen soll der Vereinsbeirat entscheiden – und stets das Wohl des VfB im Auge dabei behalten. Als die Königsmacher im Verborgenen hat sich die Gruppe um den Vorsitzenden Wolf-Dietrich Erhard entpuppt, wie nach dem Rücktritt von Präsident Wolfgang Dietrich im Sommer 2019 klar wurde. Der Vereinsbeirat wählte nach einem längeren Prüfverfahren die Kandidaten Claus Vogt und Christian Riethmüller aus, die sich um den obersten Posten im Verein bewarben.

Auch diesmal befindet der Vereinsbeirat darüber, wer den Mitgliedern am 18. März zur Wahl gestellt wird. Nur ist diesmal alles noch heikler. Vier Bewerber gibt es, darunter die Rivalen Hitzlsperger und Vogt sowie der Unternehmer Volker Zeh und die Sindelfingerin Friedhild Miller. Rein formal muss der Vereinsbeirat aber gar nicht die zwei Kandidaten aus diesem Quartett nehmen, die sich letztlich in der Schleyerhalle präsentieren dürfen. Das Gremium hat laut Satzung die Möglichkeit, nur einen daraus auszusuchen – oder gar keinen. Erhard und Co. können auch andere potenzielle Kandidaten ansprechen, sofern sie diese für geeignet halten.

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Diese Gesamtverantwortung für den Verein zum einen und die Freiheiten in der Entscheidungsfindung zum anderen führen nun dazu, dass viel über die möglichen Szenarien nachgedacht, gesprochen und auch spekuliert wird. Nach Informationen unserer Zeitung arbeitet der Vereinsbeirat intensiv daran, Lösungsmöglichkeiten für die verfahrene Situation zu finden. Bereits am Montag könnten erste Ergebnisse veröffentlicht werden. Denn die Stunde der Klarheit naht, und bis Ende Januar müssen die beiden Kandidaten benannt werden.

Zumindest ist es das grundsätzliche Ziel des Vereinsbeirats, zwei Persönlichkeiten zu präsentieren – und an dieser Stelle beginnen die Gedankenspiele und möglichen Rochaden. Es wurde dem Gremium bereits unterstellt, eventuell den Amtsinhaber Vogt außen vor zu lassen. Darüber soll intern auch gesprochen worden sein, aber dieses Szenario gilt nicht als wahrscheinlich. Denn der Unternehmer aus Waldenbuch ist noch vor Kurzem erste Wahl gewesen. Außerdem würde es wohl auf Mitglieder- und Fanseite einen Sturm der Entrüstung auslösen, da Vogt in Teilen der Anhängerschaft beliebt ist. Als Handlanger des Establishments würde man den Vereinsbeirat dann betrachten, der den Grundsatz der Gewaltenteilung im Club nach der Ausgliederung der Profisparte in die VfB AG verraten habe.

Wer ist für Claus Vogt – und wer gegen ihn?

Wie zu hören ist, wird der Vereinsbeirat Hitzlspergers Bewerbung einer sehr genauen Prüfung unterziehen. Dabei geht es jedoch nicht nur darum, ob das Machtstreben des Vorstandschefs und Sportvorstands satzungskonform ist beziehungsweise wie Präsidium und Aufsichtsrat künftig aufgestellt sein sollen, sondern es geht auch um die Frage: Trägt Hitzlspergers Ansinnen, die beiden höchsten Ämter in Personalunion auszuführen, zur Befriedung im Verein bei?

Dass eine Kampfkandidatur zwischen Hitzslperger und Vogt sowie die damit verbundene öffentliche Schlammschlacht nicht im Sinne des VfB ist, dürfte ohne jeden Zweifel sein. Womöglich ist dieses Vorgehen sogar vereinsschädigendes Verhalten. Wie also löst der Vereinsbeirat das Dilemma, in dem er steckt? Zumal es nach einigen Erfahrungen mit Vogt in der Gremienarbeit Ressentiments gegenüber dem Präsidenten gibt.

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Nur André Bühler und Marc Nicolai Schlecht gelten im Vereinsbeirat als Vogt-freundlich, mit Abstrichen noch Rainer Weninger. Claudia Maintok und Wolf-Dieter Erhard vertreten die Vogt-kritische Seite. Was auch damit zusammenhängt, dass der Präsident dieses Duo im Zusammenhang mit der Aufklärung der Datenaffäre brüskiert hat. Maintok und Weninger sollten nach Absprache in der Lenkungsgruppe sitzen. Angeblich entschied sich Vogt aber kurzfristig anders – und für Schlecht.

Der Präsident betreibe Klientelpolitik, heißt es seither. Weil sich die Anhänger gegen die Besetzung ausgesprochen hatten. Und er schütze weder Vereinsbeiräte noch die Präsidiumsmitglieder Bernd Gaiser und Rainer Mutschler gegen Attacken und Anfeindungen in den sozialen Medien. Als „alte Seilschaften“ sind diese verschrien. Nun muss aber der vermeintliche Erneuerer darum bangen, ob er Präsident bleibt.

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