Machtkampf beim VfB Stuttgart Was hinter dem Brief von Christian Riethmüller und Co. steckt

Christian Riethmüller wollte 2019 selbst VfB-Präsident werden – er unterlag Claus Vogt. Foto: Baumann

In einem Brief an den VfB Stuttgart haben Susanne Schosser, Martin Bizer und Christian Riethmüller scharfe Kritik am Umgang des Vereins mit Präsident Claus Vogt geübt. Die drei ehemaligen Bewerber ums Präsidentenamt fordern auch nach der Entschuldigung von Thomas Hitzlsperger Konsequenzen.

Stuttgart - Es kommt in diesen Tagen regelmäßig vor, dass sich Susanne Schosser (58), Martin Bizer (65) und Christian Riethmüller (46) die Frage stellen, wie es ihnen wohl gerade ergehen würde, hätten die Mitglieder des VfB Stuttgart am 15. Dezember 2019 nicht Claus Vogt, sondern einen von ihnen ins Präsidentenamt gewählt. Riethmüller war damals einer von zwei Kandidaten, Schosser und Bizer hatten es immerhin auf die Short List der letzten vier Bewerber geschafft. „Uns hätte es also auch treffen können“, sagt Riethmüller, Chef der Buchhandelskette Osiander, und vermutet: „Mit uns wäre ähnlich umgegangen worden, weil wir auch unbequem gewesen wären.“

 

Jetzt ist es Claus Vogt, der im Sturm steht, seit Thomas Hitzlsperger am Tag vor Silvester in einem offenen Brief massive Vorwürfe erhoben und seine eigene Bewerbung fürs Präsidentenamt angekündigt hat. Derart entsetzt waren Schosser, Bizer und Rietmüller vom Vorgehen des Vorstandsvorsitzenden, dass sie sich drei Tage nach Silvester darangemacht haben, einen gemeinsamen Brief an die VfB-Gremien zu verfassen. „Wir sorgen uns um die Zukunft unseres Herzensvereins“, heißt es in dem Schreiben, das kritische Fragen an die Verantwortungsträger enthält, darunter jene, ob beim VfB überhaupt „im Auftrag und zum Wohle des Vereines, der mehr als 70.000 Mitglieder“ gehandelt werde. Eine Antwort des Clubs haben sie nicht bekommen, gemeldet habe sich nur Vogt mit dem Angebot eines persönlichen Gesprächs.

Lesen Sie hier: Unser Newsblog zum VfB Stuttgart

Es geht dem Trio nach eigener Aussage nicht darum, „für eine der beiden Fraktionen Partei zu ergreifen“ – Ziel sei vielmehr „die Vorgänge zu hinterfragen und in ihrer Wirkung auf den Verein zu analysieren. Was genau ist passiert in den letzten Tagen und Wochen?“ Fassungslos hat sie nicht allein Hitzlspergers Brief gemacht („Ein solcher Vorgang ist nun wirklich einmalig im Fußball und im allgemeinen Geschäftsleben“). Sondern auch die ausbleibende Reaktion der Gremien: „Weder das Präsidium, noch der Vereinsbeirat und auch nicht der Aufsichtsrat hat es bisher für notwendig erachtet, eine solche öffentliche Demontage des amtierenden Präsidenten zu verurteilen.“

Am Freitagnachmittag hat sich Hitzlsperger öffentlich entschuldigt – die in ihrem Brief erörterten Sorgen sehen die Drei aber auch weiterhin nicht entkräftet. Denn noch immer steht die Bewerbung des Vorstandsvorsitzenden ums Präsidentenamt und damit die mögliche Entmachtung des von den Mitgliedern demokratisch gewählten Clubchefs und Aufsichtsratsvorsitzenden im Raum. „Uns geht es um den grundsätzlichen Umgang mit dem Präsidenten und um seine Rolle“, sagt Schosser, während Riethmüller erklärt: „Das Kernproblem ist: Die AG-Führung will niemanden, der sich kritisch mit dem VfB auseinandersetzt.“

Lesen Sie hier: Unser Kommentar zur Entschuldigung von Thomas Hitzlsperger

Genau das war bereits sein Eindruck, als sich der Tübinger 2019 beworben und die VfB-Gremien genauer kennengelernt hatte. Mit Vorbehalten begegnete ihm bei seiner Vorstellung zumindest ein Teil des Aufsichtsrates, nachdem Riethmüller zuvor bei einem Runden Tisch im Mitgliederkreis angekündigt hatte, als möglicher Präsident auch das bisherige Wirken des Kontrollgremiums genauer unter die Lupe nehmen zu wollen. Zum Einstieg stellte ein Aufsichtsrat Riethmüller dann die Frage, wie er sich eigentlich eine Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat vorstellen würde, wenn er diesen öffentlich kritisiere.

Es ist ein Muster, das Riethmüller nun auch beim Umgang mit Claus Vogt erkennt: „Jetzt wirft man dem Präsidenten vor, dass man mit ihm nicht vernünftig zusammenarbeiten zu können. Dabei lautet die eigentliche Frage: Ist die Zusammenarbeit mit einem kritischen Präsidenten überhaupt erwünscht?“

„Die Hinterzimmerdiplomatie sollte ausgedient haben“

Nein, so lautet die Antwort der drei Briefschreiber, und es passe in keiner Weise zusammen, dass ein ehrenamtlicher Clubchef derart an den Pranger gestellt werde, während sich die Herren aus dem Aufsichtsrat und Vorstand, die zwei Abstiege mitzuverantworten haben, jegliche Kritik und Einmischung strengstens verbitten. „Diese Hinterzimmerdiplomatie im kleinen Kreis sollte im Jahr 2021 eigentlich ausgedient haben“, sagt Martin Bizer. Man habe „den Karren an die Wand fahren lassen“, so der frühere Gymnasialrektor und Vizepräsident des Schwäbischen Turnerbundes zur jetzigen Situation.

Christian Riethmüller könnte sich ein ehrenamtliches Engagement auch weiter vorstellen

Christian Riethmüller wäre trotz allem auch weiterhin bereit, sich beim VfB ehrenamtlich zu engagieren, sei es im Präsidium oder Vereinsbeirat. Die Bedingung: „Das, was sich der Vorstandsvorsitzende mit seinem Brief und die Gremien mit ihrem Schweigen dazu gegenüber einem Ehrenamtler geleistet hat, ist inakzeptabel. Solange das nach der Entschuldigung von Hitzlsperger nicht auch von Aufsichtsrat, Präsidium und Vereinsbeirat klargestellt wird, kann sich doch kein Mensch mehr ein Ehrenamt beim VfB antun.“

Susanne Schosser sieht zunächst vor allem den Vereinsbeirat in der Pflicht, der darüber zu entscheiden hat, welche Kandidaten zur Präsidentenwahl vorgeschlagen werden. Die Beraterin hält es für „unabdingbar, dass Claus Vogt aufgestellt wird. Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht der Mitglieder“.

Weitere Themen