1. Die Aufklärung der Datenaffäre
Das sind die Standpunkte: Thomas Hitzlsperger wirft Claus Vogt vor, die mit der Aufklärung beauftragte externe Beratungskanzlei Esecon „ohne Ausschreibung, ohne Kostenschätzung und ohne Projektplan durchgedrückt“ zu haben und „bei der Projektleitung die nötige Sorgfalt, Kompetenz und Abstimmung vermissen“ zu lassen. Die „unkontrolliert ausufernden Kosten“ und der „Profilierungswunsch eines Einzelnen“ bedrohten so „die Existenz des ganzen Vereins“.
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Vogt hält dagegen, dass die Kosten „von einer Versicherung größtenteils gedeckt“ seien. Zudem werde versucht, „die Arbeit der Kanzlei Esecon zu torpedieren“. Im Umgang mit der Datenaffäre, deren lückenlose Aufklärung er den Mitgliedern versprochen hat, sieht der Präsident den entscheidenden Grund für Hitzlspergers Ansinnen, Vogt aus dem Amt zu drängen und neben seiner Tätigkeit als Vorstandschef in der AG auch die Rolle des Clubchefs im e. V. zu übernehmen.
Das ist die Situation: Seit Anfang Oktober untersuchen Esecon und der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink die Hintergründe der Weitergabe Zehntausender von Mitgliederdaten an Dritte zwischen 2016 und 2018. Während bei Brink erst in dieser Woche die letzten Unterlagen eingegangen sind und nun ausgewertet werden, steht auch das Ergebnis von Esecon noch aus. Zuletzt wurde entschieden, das Ende Januar auslaufende Mandat der Kanzlei nicht zu verlängern. Bis dahin soll das Ergebnis der Untersuchungen veröffentlicht werden.
Die Kosten belaufen sich bislang auf rund 400 000 Euro. Ob sie durch eine Versicherung bei der Allianz gedeckt sind, wird geprüft. In der Regel ist man gegen Datenpannen und Cyberangriffe versichert, nicht jedoch gegen mutwilliges Fehlverhalten von Mitarbeitern. Zum Jahresende hat die AG Zahlungen an den e. V. geleistet.
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Wer alles in die Ende September aufgedeckte Datenweitergabe involviert war, ist unklar. Und die Aufklärung dauert ungewöhnlich lange. Was auch an der geringen Kooperationsbereitschaft der Befragten liegt. Hier stehen die Vorstandsmitglieder Stefan Heim (Finanzen) und Jochen Röttgermann (Marketing) in der Kritik.
Mittlerweile ist davon auszugehen, dass erhebliche Verstöße vorliegen – und die große Frage lautet: Wer trägt die Verantwortung dafür? Nach Bekanntwerden der Affäre wurde vom VfB mitgeteilt, dass die beiden im „Kicker“ genannten Mitarbeiter, der Kommunikationschef Oliver Schraft und der Marketingleiter Uwe Fischer, ihre Arbeit für die Zeit der Untersuchungen freiwillig ruhen lassen. Beide arbeiten nun an Langzeitprojekten sowie aus administrativen Gründen teilweise jedoch weiter.
Zuletzt bekräftigte Hitzlsperger, dass er um den Verbleib Schrafts, der ihn 2016 zum VfB zurückgeholt hatte, „brutal kämpfen“ werde. Rainer Mutschler, zur betreffenden Zeit als Projektleiter mit der Vorbereitung der Ausgliederung beauftragt, führt seine Arbeit im Nachwuchsleistungszentrum und VfB-Präsidium weiter.
2. Die Amtsführung des Präsidenten
Das sind die Standpunkte: Hitzlsperger zeichnet ein düsteres Bild von der Arbeitsweise des Präsidenten: „In der Gremienarbeit verliert er sich in Details, er führt nicht, er informiert zu wenig, er fällt selten Entscheidungen, er pflegt keinen offenen Austausch und keinerlei Streitkultur.“ Zudem komme Vogt „intern seinen Informationspflichten nicht nach – und sensible Interna landen allzu oft bei Dritten außerhalb des VfB“. Es habe sich „ein Kreis um den Präsidenten gebildet, der seine Ziele in einer Art und Weise verfolgt, die unserem Club massiv schadet“.
Vogt beteuert, für „Anstand, Respekt, Offenheit und Ehrlichkeit“ zu stehen, Interna intern zu halten und Entscheidungen „immer im Sinne des Vereins und unserer Mitglieder“ zu treffen. Dass es bisweilen Differenzen gebe und Entscheidungsprozesse länger dauerten, habe einen einfachen Grund: Wenn er „bei gewissen Dingen“ nachfrage, gehe es nicht darum, etwas zu verzögern – „dann mache ich nichts anderes als meinen Job, nämlich die Kontrollfunktion für den e. V. auszuführen“.
Das ist die Situation: Claus Vogt steht im e. V. an der Spitze des dreiköpfigen Präsidiums und ist Vorsitzender des achtköpfigen Aufsichtsrats in der AG. In beiden Gremien ist er weitgehend isoliert und wird regelmäßig überstimmt. Im Präsidium sind der bei der AG angestellte Rainer Mutschler sowie Bernd Gaiser seine Widersacher; im Aufsichtsrat steht nur der von Vogt ins Boot geholte Rainer Adrion fest an seiner Seite.
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Auch Menschen, die es gut mit Vogt meinen, verhehlen nicht, dass der Unternehmer in der Führung der Gremien erhebliche Mängel aufweise. So blockierte er beispielsweise Transfers, weil er sich zu keiner Entscheidung durchringen konnte. Er düpierte auch den Vereinsbeirat bei der Besetzung der Lenkungsgruppe für die Datenaffäre, da er sich trotz anders getroffener Absprache dem Willen des Fanausschusses beugte. Vogt gilt als fahrig, ist bisweilen schlecht vorbereitet und kann sich nicht an getroffene Absprachen erinnern, nachdem er Rücksprache mit seinem externen Beraterumfeld gehalten hat. Zu ihm gehören der langjährige Medienchef des FC Bayern, Markus Hörwick, und Edin Rahic, einst Eigentümer und Geschäftsführer des englischen Fußballclubs Bradford City.
3. Die Bilanz des Präsidenten
Das sind die Standpunkte: Hitzlsperger würdigt, dass Vogt „seinen Beitrag zur positiven Außendarstellung des VfB geleistet“ habe. Ansonsten stellt der Vorstandschef dem Präsidenten ein vernichtendes Arbeitszeugnis aus: Von den Vorhaben, die Vogt in Angriff genommen habe, sei „so gut wie nichts“ umgesetzt worden – „seien es neue Formen des Fandialogs, die Weiterentwicklung des Breitensportangebotes, das Mittelstandsbündnis, der Expertenrat oder die Frage, wie wir den VfB gesellschaftlich positionieren und verankern wollen“.
Vogt verweist darauf, „im zurückliegenden Jahr viel erreicht und den Mitgliedern gegeben“ zu haben. Man habe „dringend benötigte Kontinuität geschaffen“, „tiefe Gräben zwischen den Mitgliedern und dem Club zugeschüttet“, „ein positives, sympathisches Bild nach außen abgegeben“.
Das ist die Situation: Claus Vogt, der seine Funktion ehrenamtlich bekleidet und sich großer Beliebtheit bei Teilen der Fans erfreut, sitzt beim VfB in Projektgruppen. Diese beschäftigen sich unter anderem mit Satzungsfragen, der Zukunft des Profifußballs und der Gründung einer Frauen- und Mädchenfußballabteilung. Standhaft hatte sich die VfB-Führung in der Vergangenheit dem Frauenfußball verweigert – seit der Präsidentschaft Vogts ist das Bemühen erkennbar, diese Lücke zu schließen. Im Oktober lud Vogt die Frauen-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ein; zudem wurde im Dezember auf der VfB-Homepage die Suche nach Kooperationspartnern ausgeschrieben.
Dass Vogt den Verein gut vertreten kann, zeigen aber die von ihm im vergangenen Herbst verkündeten Personalien in der Leichtathletik-Abteilung. Mit der Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch und dem Weitspringer Fabian Heinle wurden die Verträge verlängert; der neu verpflichtete Paralympics-Sieger im Kugelstoßen der Kleinwüchsigen, Niko Kappel, soll den VfB in Zukunft nicht nur als Sportler vertreten, sondern auch als Botschafter. Vogt sieht darin „ein weiteres Bekenntnis für gelebte Inklusion im Spitzensport“.
Nichts geworden ist bislang aus Vogts im Wahlkampf mehrfach genanntes Ansinnen, statt eines einzelnen zweiten Investors ein Mittelstandsbündnis zu schmieden. Also mehrere Firmen zu finden, die gemeinsam Anteile der VfB AG erwerben. Für Verwunderung hat dabei gesorgt, dass der Präsident samt eigenem Mitstreiter an bestehende VfB-Partner herangetreten ist – offenbar ohne Absprache mit den entsprechenden bisherigen VfB-Ansprechpartnern.