Die CSU hat in ihrer Geschichte noch selten eine Machtübergabe reibungslos hinbekommen. Doch so konfus wie dieses Mal war es noch nie, kommentiert München-Korrespondent Paul Kreiner.

München - Seit bald sechzig Jahren regiert die CSU in Bayern. Doch so beständig das aussieht: Noch nie hat dieser „Hort der Stabilität“ einen internen Machtübergang in geregelter Form hinbekommen. Ohne Kampf und Krampf ging da zumeist gar nichts. Und wer nicht offen antreten wollte, der spann seine Intrigen. So chaotisch wie diesmal aber ging’s noch nie zu. Das hat mit dem irrlichternden Agieren des Spitzenpersonals zu tun, aber auch mit der gewaltigen Fallhöhe, der sich diese so stolze Partei ausgesetzt sieht – nach der Bundestagswahl ist für sie vor der Landtagswahl. Ein weiterer Grund ist die programmatische Leere, die für einen Aufbruch in die Zukunft keine Richtung erkennen lässt. Damit ist alles möglich und alles gleich schreckhaft.

 

Horst Seehofer kann noch so oft sagen, die Niederlage bei der Bundestagswahl sei „nicht in Bayern, sondern in Berlin“ verursacht worden: Parteichef ist er. Sein Zickzackkurs hat das Vertrauen der Wähler in die CSU zerrüttet. So kann es nicht weitergehen, aber Seehofer hält sich für unersetzlich. Dazu, dass es keine Alternative zu ihm gibt, die erstens startfähig und zweitens von der Partei einvernehmlich ausgehandelt worden wäre, hat er selbst am meisten beigetragen. Er wollte immer nur einen bestimmten Nachfolger verhindern. Aufgebaut hat er niemanden. So eine(r) hätte ihm ja gefährlich werden können.

Seehofer überholt sich selber

Jetzt findet Seehofer den Ausgang nicht mehr. Er agiert konfus: Zum einen erfindet er spontan einen „Ältestenrat“, und weil dieser – aus Erbfeinden zusammengesetzt – weder funktionieren kann noch will, lädt Seehofer andere Vertraute zu Geheimtreffen ein. Er überholt sich also selber – und wird seinerseits von der verärgerten CSU-Landtagsfraktion überholt, welcher er „Klarheit auch zu meiner Person“ versprochen und doch nur Nebel beschert hat.

Die Fraktion wiederum ist zerrissen: Weitermachen mit Seehofer – zumindest mit ihm als „erfolgreichstem Koalitionsverhandler“ in Berlin? Dazu müsste er ein Mandat haben und zumindest Parteichef bleiben. Andererseits hat man mit Seehofer schon eine Wahl verloren, und der größte Angstfaktor in der Fraktion ist es, im Herbst auch noch jenen Besitzstand zu verlieren, den die CSU als den einzigen ihr angemessenen betrachtet: die absolute Mehrheit in Bayern. Da gehen ja nicht nur diätenschwere Mandate flöten, da lockern sich auch Einflussnetze im „eigenen“ Bundesland, und es drängen sich andere hinein. Die FDP hält man schon für unausweichlich, aber vielleicht, wenn es mit den Umfragen so weitergeht, reicht auch sie nicht als Koalitionspartner.

Wie überzeuend wäre eine Doppelspitze?

Wer soll’s also richten in der CSU? Markus Söder? Einen Damm nach rechts könnte er wohl aufbauen, aber bei der Bundestagswahl hat die CSU ja auch zur Mitte hin verloren, und ein Polarisierer wie Söder wird diese Abwanderung verstärken. So krampfhaft die einen in der Fraktion sich jetzt an Söder klammern, so besorgt sagen andere: „Dass er Ministerpräsident kann, hat er noch nicht bewiesen.“ Und eine Doppelspitze Seehofer/Söder? Wie überzeugend ist so eine Männerfeindschaft im Landtagswahlkampf?

Was dann? Soll sich gleich die ganze CSU jetzt selber überholen? Über Ministerpräsident und/oder Parteichef die Basis entscheiden lassen? Richtig wär‘s. Denn bei der Bundestagswahl haben so viele Bayern die CSU deshalb im Stich gelassen, weil sie sich abgehängt fühlen von „ihrer“ Partei, die nur noch selbstbezogene Machtspielchen trieb und nicht das leistete, was man als Bürger wirklich brauchte. „Die da draußen“ endlich reden zu lassen, das wäre ein Aufbruch. Doch damit würde auch das unerträgliche Gewürge um den neuen CSU-Spitzenmenschen noch zwei, drei Monate weitergehen. So aber ist in zwei Wochen Parteitag. Da gibt’s Wahlen. Und endlich Klarheit. G’scheite Klarheit.