Der Putschversuch ist zwar gescheitert, doch Insider erwarten, dass Osram-Chef Olaf Berlien mit weiteren Angriffen von Siemens rechnen muss.

Es ist eine jener brenzligen Situationen, wo viele reden, aber niemand sich namentlich nennen lässt. Siemens hat soeben versucht, Osram-Chef Olaf Berlien per öffentlicher Misstrauensbekundung auf der Osram-Hauptversammlung zu stürzen. „So verhält sich sonst nur ein aggressiver Hedgefonds“, sagt ein Börsianer über den in diesen Firmenhierarchien hier zu Lande wohl einzigartigen Vorgang. Nur weil Siemens lediglich noch 17,5 Prozent an der früheren Tochter Osram hält und Mitaktionäre weiter zu Berlien stehen, bleibt dieser im Amt - zumindest vorerst.

 

Um den Streit zwischen den beiden Münchner Unternehmen zu verstehen, muss man in den November 2015 zurück. Damals hat Osram-Chef Berlien einen überraschenden Strategieschwenk verkündet. Sein Konzern verabschiede sich nicht aus dem Massengeschäft und baue vielmehr für eine Milliarde Euro ein neues Werk für Leuchtdioden (LED) in Malaysia, erklärte er.

Die Börsenreaktion folgte auf dem Fuß. Die Osram-Aktie verlor binnen weniger Minuten knapp ein Drittel ihres Werts und hat sich seither kaum erholt. Siemens hat dadurch als Osram-Eigner 260 Millionen Euro verloren, rechnete Siemens-Chef Joe Kaeser später öffentlich vor. Dies blieb nicht die einzige Osram-kritische Stellungnahme des Siemens-Chefs in den darauf folgenden drei Monaten. Osram-Chef Berlien habe die Kapitalmärkte miserabel auf die neue Strategie vorbereitet und überhaupt sei es falsch, ein so großes Risiko in Asien ohne Partner zu wagen, ist der Kern der Vorhaltungen.

Umsturzversuch auf der Hauptversammlung

Dann kam der Umsturzversuch zum Eignertreffen. Osram-Aufsichtsratschef Peter Bauer hält dagegen und bietet Kaeser die Stirn. „Die Umsetzung der Strategie ist im Sinne des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und seiner Kunden. Sie ist aus Sicht des Aufsichtsrats alternativlos für eine nachhaltige Zukunft“, erklärte er kurz nach der Osram-Hauptversammlung. Im übrigen fordere man den von Berlien geführten Vorstand auf, die neue Strategie zügig in die Tat umzusetzen. Zu diesen klaren Worten habe sich der Osram-Aufsichtsrat einstimmig bekannt, heißt es aus dem Kreis der Aufseher. Das ist insofern wichtig, als Siemens-Vorstand Roland Busch Aufsichtsrats-Vize ist. Auch bei früherer Gelegenheit habe er schon für die neue Osram-Strategie gestimmt, heißt es.

Siemens gibt über das Abstimmverhalten Buschs keine Auskunft und kennt es angeblich auch nicht. Kapitalmarktgesetze würden es verbieten, dass dieser Siemens mitteilt, was im Osram-Aufsichtsrat besprochen wird. Das würde Siemens zum Insider machen, der wüsste, wann er seine Osram-Anteile vorzugsweise verkauft. Wenn Busch wirklich geschwiegen hat, wurde Siemens vom Osram-Strategieschwenk im November überrascht wie jeder andere.

IG Metall ruft alle Beteiligten zur Mäßigung auf

„Kaeser wollte wohl Osram-Aktien verkaufen“, vermutet ein Insider. Das habe sich mit dem Kurssturz erst einmal erübrigt und nun sei Kaeser offenkundig sauer. Solange Siemens den Eindruck habe, dass bei Osram etwas schief läuft, werde man das auch weiterhin sagen, meint ein anderer Kenner der Verhältnisse. Mit Kritik stehe Siemens im übrigen nicht allein. Ablesen lässt sich das an Kursbewegungen während der Osram-Hauptversammlung. Als bekannt wurde, dass Siemens Berlien das Vertrauen entzogen hat, sprang der Osram-Kurs um acht Prozent nach oben. Als dann einige Stunden später klar wurde, dass der Siemens-Angriff gescheitert ist, ging es auch mit der Osram-Aktie wieder bergab. Wer die speziellen Münchner Verhältnisse kennt, der weiß, dass Siemens nicht locker lassen wird. „Das war noch nicht das Ende des Lieds“, sagt einer, dem das Innenleben beider Konzerne vertraut ist. „Berlien weiß, dass er im Fadenkreuz von Kaeser ist“, erklärt ein anderer Insider.

Dann ergreift doch noch jemand offiziell das Wort. „Rüstet ab“, sagt Michael Knuth. Der IG Metall-Mann ist zweiter Aufsichtsratsvize von Osram. Der Gewerkschafter ruft alle Beteiligten zur Mäßigung auf. Wenn ein Streit so geführt werde, gebe es am Ende keinen Sieger warnt Knutz. Immerhin gehe es bei Osram um die Verantwortung für 33 000 Beschäftigte. Die sehen das wohl sehr ähnlich.