Letzte Runde im Machtkampf: Nach jahrelangen, heftigen Kämpfen zwischen den Anteilseignern versucht der Suhrkamp Verlag mit Hilfe des Insolvenzrechts den Streit mit seinem Minderheitsgesellschafter zu beenden. Das ist allerdings riskant.

Stuttgart - Der Machtkampf im Suhrkamp Verlag geht in die voraussichtlich letzte Runde. Nach jahrelangen, heftigen Kämpfen zwischen den Anteilseignern Ulla Unseld-Berkéwicz und Hans Barlach in der Öffentlichkeit, auf Gesellschafterversammlungen und vor zahlreichen Gerichten scheint es, als ob noch dieses Jahr Ruhe einkehren könnte. Allerdings könnte es Friedhofsruhe sein. Möglicherweise wird das traditionsreiche Unternehmen, das die intellektuelle Geschichte der Bundesrepublik wie kein anderes geprägt hat, im Herbst insolvent und aufgelöst. Oder ersteht in neuer, weniger konfliktreicher (Rechts-) Form wieder auf.

 

Am Montag hat Suhrkamp vor dem Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Antrag auf ein erst seit 2012 existierendes „Schutzschirmverfahren“ gestellt. Es ist der eigentlichen Insolvenz vorgeschaltet: Die Geschäftsführung bleibt im Amt, sie muss in wenigen Monaten mit einem Generalbevollmächtigen, einem Sachwalter und dem Gericht einen Sanierungsplan ausarbeiten. Der Schutzschirm schützt das Vermögen des Unternehmens. Verträge mit Autoren und Angestellten bleiben gültig. Vor allem ist die Auszahlung des Gewinns suspendiert, die Barlach, der mit seiner Medienholding 45 Prozent an der Verlagsleitungs-GmbH und 39 Prozent an den Verlagen Suhrkamp und Insel hält, im März vor Gericht erstritten hat. 8,2 Millionen Euro für 2010 und 2011 hätten an die Medienholding und die Familienstiftung ausgezahlt werden müssen. Suhrkamp, ohnehin blockiert durch den Gesellschafterstreit, stand vor dem wirtschaftlichen Aus.

Berkéwicz setzt alles auf eine Karte

Mit dem Schutzschirmverfahren holt sich der Verlag erneut juristische Schützenhilfe. Die Mediation durch Dritte ist also gescheitert, die Gerüchte über einen dritten Anteilseigner namens Burda oder Random House/Bertelsmann werden von Suhrkamp dementiert. Die Mehrheitseignerin und Geschäftsführerin Unseld-Berkéwicz setzt alles auf eine Karte: Nun will sie mit Hilfe des Insolvenzrechts den Minderheitsgesellschafter stillstellen oder aus dem Verlag drängen. Der von ihr ausgewählte Generalbevollmächtigte Frank Kebekus spricht in der heutigen „Zeit“ vom „Fegefeuer“ und will notfalls die Rechtsform des Verlages ändern, um die Streitigkeiten zu beenden.

Bisher war Ulla Unseld-Berkéwicz nicht gut beraten. Ihre Rechtsanwälte überblicken die Vielzahl der Verfahren nicht, und ein Gericht hat sie und ihre zwei Mit-Geschäftsführer in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil sogar schon abberufen: Ihre Ratgeber hatten bei der Anmietung der Verlegerinnenvilla in Berlin für Verlagszwecke nicht zwischen Warm- und Kaltmiete unterschieden und so den Betrag geringfügig überschritten, ab dem Barlachs Zustimmung zwingend erforderlich war.

Chance für einen Neuanfang

Einigen sich Geschäftsführung und Gläubiger im Schutzschirmverfahren binnen weniger Monate nicht, tritt die Insolvenz ein. Der Fall ist nicht unwahrscheinlich, Einigkeit herrscht selten bei Suhrkamp, denn die Konstruktion des Unternehmens ist vertrackt: Die Mehrheitseignerin Unseld-Berkéwicz stellt auch die Geschäftsführer und regiert nach Kräften über den Minderheitsgesellschafter und Gläubiger Barlach hinweg. Ihm bleibt die Rolle des Blockierers, der sein Recht vor Gericht einklagen muss. Barlach hat prompt beklagt, dass Suhrkamps Geschäftsführung mit dem Feuer der Insolvenz spiele. Wohl auch, weil er mit seinen eigenen Waffen geschlagen wird. Vor dem Landgericht Frankfurt, wo beide Gesellschafter auf Ausschluss des jeweils anderen klagen, hat Barlach zudem die Auflösung des Unternehmens beantragt, sie sei die „Chance für einen Neuanfang“. Die Entscheidung darüber ist vertagt bis September. Unseld-Berkéwicz will dem Gericht offenbar zuvorkommen.

Wenn sich die Mehrheitseignerin im Schutzschirmverfahren mit Hilfe des Gerichts, des Generalbevollmächtigten und des Sachverwalters nicht gegen Barlach durchsetzen kann, der seine Rechte als Miteigentümer sicher wahrnehmen wird, dann kommt es zur Insolvenz. Diese muss jedoch nach dem von Berkéwicz’ Geschäftsführung erarbeiteten Sanierungsplan abgewickelt werden. Suhrkamp setzt an zur Entscheidungsschlacht und geht hoffentlich nicht selbst mit unter.