Amerikas neues Sex-Symbol  Christina Hendricks hat Po, Hüfte und Oberweite – und steht dazu. Andere Frauen würden von Problemzonen sprechen. Sie spielt ihre Vorzüge aus.

Stuttgart - Neulich sah man sie an der Seite von Sarah Jessica Parker auf dem roten Teppich. Es war ein denkwürdiger Moment. SJP, wie die Hauptdarstellerin der US-Fernsehserie "Sex and the City" von ihren Fans genannt wird, stellte in New York ihre neue Kinokomödie vor, "Der ganz normale Wahnsinn - Working Mum". Doch alle Blicke waren auf die Frau neben ihr gerichtet, die in diesem Film nur eine Nebenrolle als ihre beste Freundin spielt: Christina Hendricks. An den feuerroten Haaren der Schauspielerin kann das nicht gelegen haben. Die 36-Jährige gilt als Amerikas neues Sexsymbol, seit sie der Kabelsender AMC für die wunderbare Fernsehserie "Mad Men" gecastet hat.

 

Hendricks hat Po, Hüfte und eine pralle Oberweite - und sie steht dazu. Andere Frauen würden von Problemzonen sprechen. Sie aber spielt ihre Vorzüge aus. Die Rolle der Chefsekretärin Joan Holloway, die Anfang der sechziger Jahre die Vorzimmer einer New Yorker Werbeagentur regiert, macht es möglich. Es ist eine von Männern dominierte Welt, in der sich die Frauen nur behaupten können, wenn sie wenigstens so tun, als würden sie die Spielregeln der Chefs befolgen.

Holloway gelingt das, indem sie optisch einen Filmstar der fünfziger Jahre kopiert. Sie betont ihre Kurven mit einer Garderobe, die aussieht, als hätte sie sie Marilyn Monroe aus dem Kleiderschrank geklaut. So brachte sie es zur Ikone einer neuen Weiblichkeit. Ihre Outfits werden inzwischen in Serie für die US-Modekette Banana Republic produziert. Es scheint, als hätten Amerikas Frauen nur darauf gewartet, dass es eine von ihnen endlich mal auf den roten Teppich schaffen würde. Jedenfalls waren es überwiegend Leserinnen des US-Männermagazins "Esquire", die das Mädchen aus einer Kleinstadt in Idaho 2010 zur "Sexiest Woman alive" kürten.

"Ist weniger nicht manchmal mehr?"

Neben dieser Femme fatale also verblasste die klapperdürre Sarah Jessica Parker regelrecht. Süffisant schrieb ein Journalist nach der Filmpremiere: "Wie kann SJP am besten verbergen, dass die Natur sie mit einer großen Nase bestraft habe?" Nun, sie brauche sich einfach nur neben Christina Hendricks zu stellen. Das Dekolleté ihrer purpurfarbenen Seidenroben reichte ihr beinahe bis zum Bauchnabel. Die öffentliche Aufmerksamkeit war ihr gewiss. Wieder stürzten sich alle Fotografen auf die Frau mit den "XXL-Brüsten".

Ein gelungener PR-Coup? Keine Frage. Zugleich hat er aber eine Diskussion wieder neu entfacht, die so alt ist wie die rothaarige Serienfigur aus der New Yorker Madison Avenue selbst. "Ist weniger nicht manchmal mehr?", fragte etwa eine Kolumnistin der "New Times". Widerspricht es nicht dem Selbstverständnis einer emanzipierten Frau, sich mit ihrer Körbchengröße zu profilieren?

Christina Hendricks wäre jedoch schön doof, wenn sie sich auf diese Diskussion einlassen würde. Dem britischen "Guardian" sagte sie zum Start ihres neuen Films: "Es hat mich befremdet, dass plötzlich alle Welt über meinen Körper sprach. Ich habe mich darin schon immer sexy gefühlt. Es mag naiv klingen, aber mit dieser Art von Aufmerksamkeit habe ich nie gerechnet."


So etwas hören Männer gerne. Das Statement nährt das Klischee des arglosen Pin-up-Girls, das gerade deshalb so sexy ist, weil es sich seiner Wirkung auf andere nicht bewusst ist. In ihrer Rolle als Bürovorsteherin in "Mad Men" ist sie jedoch nicht halb so unbedarft, wie sie in Interviews tut. Joan Holloway spielt die Männer gegeneinander aus, um ihre Position als rothaariger Vorzimmerteufel zu behaupten. Sie ist bereit, dafür einen hohen Preis zu bezahlen. Wenn es sein muss, lässt sie sich sogar auf dem Teppich in ihrem Büro vergewaltigen.

 Ein gewisses Kalkül darf man der Schauspielerin also schon unterstellen. Bis zu ihrem 27. Lebensjahr hat sie als Model gearbeitet, bevor sie ihre erste Hauptrolle in der US-Fernsehserie "Beggars and Choosers" ergatterte. Die berühmteste Szene aus dieser Komödie kursiert heute noch beim Videokanal Youtube. Sie zeigt die sonst eher unscheinbare Aktrice rücklings beim Sex auf dem Küchentisch, die Brüste dekorativ wie pralle Orangen entblößt. Ihr Körper war schon immer ihr Kapital. Zu behaupten, sie hätte ihre Kurven nie als Waffe eingesetzt, das ist, als hätte Albert Einstein seinen Intelligenzquotienten von 148 verleugnet.

Im puritanischen Amerika waren Brüste schon immer eine effektive Waffe, wenn es darum geht, sich selbst in die Schlagzeilen zu katapultieren. Janet Jackson hat es vorgemacht. 2004 rutschte ihr bei einem Duett mit dem Sänger Justin Timberlake plötzlich der BH herunter - angeblich aus Versehen. Vielen Amerikanern war das egal. Sie echauffierten sich über die "sittliche Entblößung". Von einem Skandal war gar die Rede. Und von "Nipplegate".

Die Designer schneidern ihr ein Kleid auf den Leib

Christina Hendricks reicht schon ein tiefes Dekolleté, um die Blicke auf sich zu ziehen. Sie kann diesen Rückfall in die Steinzeit des Feminismus sogar als Fortschritt verkaufen - und bekommt dafür auch noch Applaus von den Frauen.

Ausgerechnet Großbritanniens Gleichstellungsministerin Lynne Featherstone sieht in ihr ein Vorbild für alle jene Mädchen, die sich auf Konfektionsgröße 34 herunterhungern, um dem Ideal der Hungerhaken zu entsprechen, wie sie Heidi Klum & Co. in ihren Castingshows suchen. "Sie ist absolut fabelhaft", sagt die Politikerin. Es sollte mehr Frauen geben, die zu ihren Kurven stehen.

Man kann nicht sagen, dass Christina Hendricks der Stoff ausginge. Vorbei die Zeit, da sie keine Designer fand, die ihr eine festliche Robe für den roten Teppich schneiderten. Mit Kleidergröße 42 sprengte sie den Rahmen. Für die Premiere ihrer neuen Kinokomödie hat ihr Vivianne Westwood ein Kleid aus purpurrotem Satin geschneidert. Der Medienrummel, den sie damit provoziert hat, dürfte ihr die Pole-Position im Rennen um eine der begehrtesten Hauptrollen gesichert haben, die Hollywood derzeit für Frauen zu bieten hat: "Wonder-Woman". So heißt eine Comicfigur aus dem berühmten Verlag DC. Amerikas weibliche Antwort auf Superman. Christina Hendricks gilt als Favoritin für diese Rolle. Nur fliegen müsste sie dafür noch lernen.


Serien Christina Hendricks, 1975 in Knoxville in Tennessee geboren und in Idaho aufgewachsen, ist seit 2007 als Chefsekretärin Joan Holloway in der mehrfach ausgezeichneten Serie „Mad Men“ (ZDF neo) zu sehen. Davor hatte sie eher kleinere Fernsehrollen, unter anderem in „Emergency Room“. Seit zwei Jahren ist Hendricks mit ihrem Schauspielerkollegen Geoffrey Arend verheiratet.

Kino In der Komödie „Der ganz normale Wahnsinn – Working Mum“ spielt Christina Hendricks die beste Freundin der chaotischen Mutter und Managerin Kate (Sarah Jessica Parker). Der Film läuft am Donnerstag in den deutschen Kinos an. StZ