Der nach einer Schwalbenart benannte Schienenbus ist ein echtes Museumsstück und inzwischen weltweit einzigartig.

Antananarivo - „Bonjour!“ Mit einem strahlenden Lächeln begrüßt die madegassische Schönheit in knallrotem Trägerkleid die Gäste und bittet sie einzusteigen. Die Hitze flirrt, man ist richtig geblendet vom schneeweiß lackierten Bus, der auf dem Gleis in Andasibe, im Osten Madagaskars, zur Abfahrt bereitsteht. Irgendwie mag man Viko-Viko vom ersten Augenblick an. Der Bus trägt den Namen einer einheimischen Schwalbenart, und doch hat er so gar nichts Graziöses an sich: Er wirkt eher klobig, seine lange Schnauze erinnert an uralte Lastwagen. Ist es ein Bus oder ein Zug? Darüber lässt sich lange diskutieren. Denn Viko-Viko fährt mit luftgefüllten Gummireifen auf Eisenbahngleisen. Die Räder sind schmal wie die Schienen und haben Führungskerben, damit sie nicht entgleisen.

 

„Mora mora“ heißt das Motto auf Madagaskar

Auf jeden Fall hat er Verspätung an diesem Tag. Aber das stört hier niemanden. „Mora mora“ heißt das Motto auf Madagaskar - immer langsam. Der Schienenbus fährt durchschnittlich 50 Kilometer je Stunde. Für 148 Kilometer von der Hauptstadt Antananarivo bis in den Nationalpark Andasibe braucht er vier bis fünf Stunden. An diesem Tag geht es von Andasibe bis an die Ostküste. Unter lautem Hupen setzt sich das Ungetüm in Bewegung. Das Fahrzeug wurde erstmals in den dreißiger Jahren von der französischen Reifenfirma Michelin entwickelt. Deshalb wird er auch oft La Micheline genannt. Während der Kolonialzeit wurden die Schienenbusse von Frankreich nach Indochina und Afrika, inklusive Madagaskar, verschifft. Viko-Viko stammt aus dem Jahr 1952 und ist der weltweit einzige seiner Art, der noch in Betrieb ist. Vor fünf Jahren hat ihn das Eisenbahnunternehmen Madarail renoviert und mit einem 120-PS-Mercedes-Motor ausgestattet. Auf ausgewählten Routen können nun Gruppen bis zu 19 Personen damit reisen. Der Schwalbenbus fährt nur einmal im Monat nach Fahrplan. Dafür muss man reservieren.

Im Innern des Kolosses fühlt man sich zurückversetzt in die französische Kolonialzeit. Statt auf Bänken sitzt man in gepolsterten Korbsesseln. Der Parkettfußboden ist aus Bambus, die Wände sind holzvertäfelt. Die Fenster lassen sich per Hand herunterkurbeln. „Besser ist es, sie geschlossen zu halten“, rät Fernando, der Reiseführer, „kann sein, dass wir Bäume streifen oder sehr nah an Masten vorbeifahren.“ Draußen ziehen Kiefern- und Eukalyptuswälder vorbei. Hin und wieder geht es durch einen Tunnel. Dann gibt der Dschungel den Blick auf den Fluss Vohitra frei. Auf den Hügeln thronen Ravenalas. Sie sehen aus wie überdimensionale Fächerpalmen, sind aber Bananengewächse und das Wahrzeichen Madagaskars. Hin und wieder tauchen kleine Orte im Blickfeld auf. Frauen laufen barfuß und mit beladenen Körben auf den Köpfen hinunter zum Ufer. Es ist Waschtag. Auf den Wiesen haben sie schon die ersten Hosen und Bettlaken zum Trocknen ausgebreitet. Während aus den Lautsprechern Schlager dudeln, serviert die madegassische Schönheit Getränke, Fleischpasteten und Salat. Plötzlich dröhnt die Hupe wie ein Nebelhorn: Einheimische sitzen mit ihren Kindern auf den Gleisen - einfach so.

Der Lokführer warnt sie rechtzeitig, denn Schranken und Andreaskreuze gibt es hier nicht. Die Menschen machen Platz und winken. Später führen die Gleise direkt zwischen dem Meer und dem Pangalanes-Kanal entlang. Dieser gilt als wichtigster Transportweg an der Ostküste. Der Kanal wurde während der Kolonialzeit von den Franzosen angelegt, um die Ernte der Bananen- und Zuckerrohrplantagen schneller in den Hafen nach Tamtave zu befördern. Am Ziel in Andranokoditra steht schon das halbe Dorf am Bahnhof, um die Fremden zu beäugen. Die Kinder tragen schmutzige T-Shirts und lachen die Fremden an. In dem kleinen Ort wohnen die Menschen in Hütten aus den Stielen der Raffia-Palme. Vor einer der Hütten steht ein Automodell in Matchboxgröße, gebastelt aus dem, was man hier so findet: die Karosserie aus rostigem Eisen, das Dach aus Plastik und Reifen aus dem Gummi einer Badelatsche. So, als hätte sich der kleine Künstler vom Viko-Viko inspirieren lassen.

Infos zu Madagaskar

Anreise
Zum Beispiel mit Air Madagaskar über Paris in die Hauptstadt von Madagaskar, Antananarivo. Flüge gibt es ab ca. 900 Euro. 50 Prozent Rabatt auf Inlandsverbindungen, www.airmadagascar.com .

Unterkunft
Das Bushhouse liegt direkt am Pangalanes-Kanal. Schöne Lodge, gebaut aus einheimischen Hölzern. Bungalow für ein bis zwei Personen ab 41 Euro, www.bushhouse-madagascar.com .

In der Vakôna Forest Lodge mitten im Regenwald zwischen Antananarivo und der Ostküste hört man frühmorgens die Indris singen und abends die Frösche quaken. Bungalow ab 63 Euro, www.hotelvakona.com .

Allgemeine Informationen
Office National du Tourisme de Madagascar, Antananarivo, www.madagascar-tourisme.com . Michelin Schienenbus Nach Fahrplan fährt der Viko-Viko einmal im Monat von Antananarivo (Tana) nach Andasibe, Voranmeldung erforderlich. Abfahrtszeit: 8 Uhr. Die Fahrt dauert ca. 4 bis 5 Stunden. Jeweils am nächsten Tag geht es zurück. Hin- und Rückfahrt ca. 48 Euro, nur Hinfahrt ca. 37 Euro.

Die Strecke von Tana nach Antsirabe wird nur einmal im Juli und August befahren; Dauer: 6 Stunden. Fahrtzeiten und Infos unter www.madarail.mg oder beim Office National du Tourisme de Madagascar, www.madagascar-tourisme.com.

Ausflüge
Das Naturreservat Andasibe-Mantadia ist das am besten erschlossene Naturreservat des Landes. Hier kann man mit einem Führer Chamäleons, Tenreks und jede Menge Indris beobachten - hier leben mehr als 60 Familien der Halbaffen, www.madainfo.de.

Was man tun und lassen sollte
Auf jeden Fall die Augen offen halten. Oft kann man auch direkt vor der Lodge faszinierende Tiere entdecken.

Auf keinen Fall im Michelinbus aus dem Fenster lehnen, schnell hat man einen Ast im Gesicht.