Eine Dokumentation beim Streaming-Dienst Netflix beleuchtet ausführlich den Fall von Madeleine McCann, die 2007 als Dreijährige aus einer Ferienanlage an der Algarve verschwand. Als Zuschauer bleibt man ratlos zurück.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

Stuttgart - Madeleine McCann. Wer den Namen hört, hat unmittelbar ein Gesicht im Kopf. Das eines kleinen Mädchens mit Stupsnase, blondem Pagenkopf, großen blaugrünen Augen mit einem auffälligen Fleck in der Iris. Vor über zehn Jahren verschwand „Maddie“ – wie die Medien sie tauften und ihre Eltern sie nie nannten – im Jahr 2007 aus einer Ferienanlage in der portugiesischen Algarve, während ihre Eltern im Restaurant beim Abendessen saßen. Damals war sie drei Jahre alt, heute ist Madeleine, sollte sie noch leben, ein 15-jähriger Teenager.

 

Der Fall – dem eines der größten Medienechos aller Zeiten gefolgt war – wirft bis heute Fragen auf und bewegt weiterhin die Gemüter. Nun nimmt sich eine Netflix-Dokumentation des Themas an. Der Streaming-Dienst hat mit „True Crime“-Formaten wie „Making a Murderer“ oder „Ted Bundy – Selbstporträt eines Serienmörders“ viel Erfolg – da passt „Das Verschwinden von Madeleine McCann“ genau ins Portfolio.

Die Dokumentation, die seit vergangener Woche auf Netflix zu sehen ist, ist aufwendig gemacht: In acht Folgen beleuchtet sie die vielen Facetten des Falles. Viele Akteure kommen zu Wort. Journalisten, die den Fall verfolgen, seit Madeleine McCann am 3. Mai 2007 aus dem Ferienappartement ihrer Familie in dem Städtchen Praia de Luz verschwand. Portugiesische und britische Ermittler, die über Jahre nach dem Mädchen suchten. Zwei Männer, die als mutmaßliche Täter im Visier der Polizei waren. Freunde von Kate und Gerry McCann – oder solche, die es gerne wären.

Die Eltern standen selbst unter Verdacht

Zeitweise standen die McCanns selbst im Verdacht, am Verschwinden ihrer Tochter beteiligt zu sein. Warum ließen die Eltern die dreijährige Madeleine und ihre jüngeren Zwillingsgeschwister allein, um mit Freunden essen zu gehen? Die portugiesische Polizei verfolgte sogar die Hypothese, Kate McCann habe ihre Tochter versehentlich durch eine Überdosis eines Fiebermittels getötet und die Leiche später verschwinden lassen. Monate später gaben die Ermittler diese These schließlich auf.

Gonçalo Amaral, der die Ermittlungen in den ersten Monaten nach Madeleines Verschwinden leitete, wurde ebenfalls für die Netflix-Doku interviewt: Er glaubt bis heute, die McCanns hätten den Tod ihrer Tochter vertuscht. Amaral schrieb ein Buch über den Fall – Kate und Gerry McCann zogen dagegen vor Gericht. Harte Beweise, dass die Eltern in den Fall verwickelt sind, ergaben sich nie.

Die McCanns distanzieren sich von der Doku

Die Familie McCann hat nicht an der Dokumentation mitgewirkt – und kritisiert sie in einem offenen Brief: „Wir erkennen nicht, wie eine solche Sendung bei der Suche nach Madeleine helfen könnte. Sie könnte die polizeilichen Ermittlungen, die immer noch laufen, sogar behindern“, schreiben Gerry und Kate McCann auf ihrer Website findmadeleine.com. „Diese Sendung spiegelt nicht unsere Sicht der Dinge wieder.“

Die Serie ist – allein ihres Themas wegen – weit entfernt von leichter Kost. Als Zuschauer lässt sie einen aber auch ratlos zurück: Je mehr man sich im Dickicht des rätselhaften Verschwindens verfängt, desto weniger erkennt man, was Wahrheit ist und was Gerüchte. Jeder, der in der Doku zu Wort kommt, gibt seine Sicht der Dinge wieder – eingeordnet wird von den Machern wenig. Das mag eine bewusste Entscheidung sein. Doch so bringt die Dokumentation wenig Licht ins Dunkel. Die Fragen bleiben. Und je mehr Zeit vergeht, desto geringer wird die Hoffnung, dass es jemals echte Antworten geben könnte.