Der Degerlocher Frauenkreis organisiert einen Kochkurs für Männer. Er soll gesunde Ernährung schmackhaft machen.
Degerloch - Es gibt Ingwer-Zitrone Tee zur Vorbesprechung, keinen Kaffee. Fünf Männer sitzen vor ihren dampfenden Tassen und studieren die Rezepte, die weniger nach Schonkost klingen als der exotische Tee. „Sahnegeschnetzeltes und Spätzle“ – das dürfte Männern, die an Hausmannskost gewöhnt sind, überraschend genießbar erscheinen. Doch die Ernährungsberaterin Karin Wild verweist auf den Servierwagen hinter ihr. Er biegt sich förmlich unter Dinkelmehl, Biomöhren und Kräutern. „Das sind lauter gesunde Zutaten“, sagt Wild. Sie will mit ihrem Kurs „Basis-Kochen für Männer“ den Beweis antreten, dass das geht: herzhafte Kost, die Männern schmeckt und den Ernährungsberater freut.
Ausgerechnet am internationalen Frauentag sollen sich Männer in der Küche die Schürze umbinden, die dem Degerlocher Frauenkreis gehört. Eine gewisse Ironie liegt darin schon. Denn die Hobby-Köche gehören alle zu einer Generation, in der die Küche noch als No-Go-Area galt. „Meine Frau wirft mich raus, wenn sie kocht“, „Sie sagt, es geht schneller, wenn ich nicht helfe“, so lauten die Statusmeldungen über das eigene Verhältnis zu Topf und Pfanne.
Männer meiden die Küche
Die „K-Worte“ können bei der Generation Fünfzig Plus eben noch eindeutig den Geschlechtern zugeordnet werden: dem Mann die Karriere, der Frau die Küche. Und der Karrieremann erwartete vom Essen offenbar vor allem eins, dass es schnell geht. Was gesund ist, hat weniger interessiert, sagt einer der Kursteilnehmer.
Die Folgen der zwischen Terminen hastig verschlungenen Leberkäswecken und Currywürsten zeigen sich oft erst nach Ende des Berufslebens. Obwohl jetzt Zeit und Muße für die ein oder andere Sahnetorte wäre, verderben erhöhte Blutfettwerte die Lebensfreude. Gesunde Ernährung ist plötzlich für viele spannend. Doch das Rätselraten ist groß, was das eigentlich ist.
Karin Wild beruhigt zunächst. Wegen eines erhöhten Cholesterinspiegels müssten sich viele gar keine Sorgen machen „In Deutschland sind die Grenzwerte viel niedriger als anderswo.“ Für die Pharmaindustrie sei das schlichtweg ein großes Geschäft. Ernährung beeinflusse das körperliche Wohlbefinden zudem immer im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie zum Beispiel Bewegung oder Stress. Wild nennt das eine Paketlösung. Doch in das Paket sollten eben dann eben doch möglichst unbehandelte Lebensmittel, am besten aus dem biologischen Anbau.
Lieber Vollkornmehl
Das Mehl, das Dieter Rössler in die Rührschüssel kippt, ist braun. Genau die gleiche Farbe werden die Spätzle haben, ganz anders als in der Fernsehwerbung. Rössler ist das egal. Er ist gespannt wie das farbliche Experiment wohl schmecken wird. Karin Wild klärt ihn auf, dass er einen leicht nussigen Geschmack zu erwarten hat anders als bei Weißmehl – und viele Ballaststoffe. Noch ein paar Bio-Eier und etwas Kräutersalz aus dem Naturkostladen und Rössler kann beginnen, den pulvrigen Misch-Masch zu einem Klumpen zu kneten. Um ihn herum wird Öko-Fleisch geschnetzelt und Salat geputzt. Immer wieder geht der Blick zur Uhr. Erstaunen macht sich breit, dass offenbar nur wenige Handgriffe genügen, um Eier, Mehl, Gemüse, Salat und Fleisch in etwas Essbares zu verwandeln.
Karin Wild schaut mal über die Schulter eines Teilnehmers, der die Salatblätter zupft. Dann gibt sie wieder Tipps zum Möhrenschnibbeln. Viel zu tun gibt es nicht. Der Blick auf das Rezept, das sie für die Kursteilnehmer vervielfältigt hat, genügt den Hobbyköchen offenbar. Sie scheinen selbst darüber erstaunt zu sein und betrachten fast andächtig Töpfe und Pfannen. In ihnen blubbert Wasser für die Spätzle und brutzelt das geschnetzelte Fleisch. In der Leichtigkeit der Übung liegt ihr erzieherischer Nutzen, sagt die Ernährungsberaterin. „Der Kurs soll ja Hemmungen vor dem Kochen nehmen.“ Oder anders ausgedrückt: Mit einem guten Rezept kann auch dem Laien gar nicht viel schief gehen. Bleibt noch die Frage, ob die Herrenrunde auch auf dem Teller ihre Freude an all den Biozutaten hat. Denn gerade Männern müsse eine Umstellung der Kost im buchstäblichen Sinne schmackhaft gemacht werden. Karin Wild spricht es am Frauentag ganz gelassen aus: Männer brauchen anderes auf dem Teller als Frauen. Viel Fleisch und alles gut gewürzt. Für die Ernährungsberaterin hat dieses Klischee von Männerernährung einen wahren Kern. Das habe mit körperlichen Bedürfnissen zu tun. „Aber auch mit dem Selbstbild von Männern.“
Doch den Steak essenden Jäger und Sammler will Wild für Biofleisch gewinnen – am besten kombiniert mit einem bunten Salat. „Das funktioniert nur, wenn ich die Männer da abhole, wo sie geschmacklich stehen.“ Etwa bei Sahnegeschnetzeltem. Ist das Experiment gelungen? Beim gemeinsamen Essen fallen nur wenige Worte. Meist ein gegenseitiges Lob. Als der erste den Teller geleert hat, will er wissen: „Gibt es noch Nachschlag?“