Der lang verschollene legendäre Zarenzug aus dem Hause Brianne in Frankreich kommt in Göppingen unter den Hammer. Kommen Interessenten aus Russland und Frankreich?

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Am Freitag und Samstag dieser Woche wird die Welt wieder nach Göppingen blicken – zumindest die Welt derer, die sich um historische Blechspielsachen im Allgemeinen und um Modelleisenbahnen im Besonderen dreht. Im Auktionshaus Hohenstaufen steht erneut eine große Winterauktion an. Rund 1300 Exponate werden an den beiden Tagen versteigert, vor allem Produkte aus dem Hause Märklin: Schiffe und Flugzeuge, Autos und Dampfmaschinen sowie natürlich Lokomotiven, Waggons und Zubehör aller Art.

 

Bei großem Andrang können nicht alle Besucher eingelassen werden

Der Auktionskatalog liegt inzwischen sowohl in digitaler wie auch in gedruckter Form vor. Und vom „Sortiment“ her scheint für jeden Geldbeutel etwas dabei zu sein. Es beginnt, zumindest was die Mindestgebote betrifft, bereits im einstelligen Eurobereich, so dass Liebhaber angesichts der Vielfalt durchaus das eine oder andere Schnäppchen machen könnten. Wer sichergehen möchte, auch wirklich einen Stuhl im Auktionssaal zu bekommen, sollte sich allerdings vorab einen Platz reservieren. Bei großer Nachfrage werden nur jene Besucher eingelassen, die eine Bieterkarte vorweisen können.

Einen starken Andrang dürfte es vor allem am Samstag geben, wenn von 12 Uhr an die mutmaßlichen Highlights unter den Hammer kommen. Dazu gehört unter anderem ein 1,05 Meter langes Schiff namens Kaiser Wilhelm der Große aus dem Jahr 1899, das früheste von Märklin hergestellte Schlachtschiff, das für satte 85 000 Euro aufgerufen wird. Allerdings dürften auch ein aus Blech gefertigter, sehr seltener Märklin-Kaufladen, der bei einem Startgebot von 69 000 Euro steht, sowie ein Märklin-Feuerwehrmagazin von 1900, für das mindestens 58 000 Euro einzusetzen sind, stattliche Erlöse bringen.

Der legendäre Zarenzug kommt unter den Hammer

Das größte „Überraschungspaket“ der Auktion stammt indes nicht aus der Werkstatt des Göppinger Spielwarenherstellers. Das außergewöhnliche Stück kommt vielmehr aus dem Hause Brianne in Frankreich – und ist von einer faszinierende Geschichte umwoben. So ließ sich der Train Géant aus dem Jahr 1905, der mit Tender 135 Zentimeter lang ist, eine Spurweite von 140 Millimetern hat und einen Menschen transportieren kann, wegen seines hohen Preises von damals 1250 Franc einfach nicht verkaufen. Der französische Staat machte ihn deshalb, möglicherweise aus politischen Gründen, dem russischen Zaren zum Geschenk, womit das gute Stück seinen Spitznamen weghatte: der Zarenzug.

Wie er wieder nach Frankreich zurückkam, kann nur vermutet werden. Möglicherweise war sein Motor defekt und sollte im Jahre 1917 – kurz vor der russischen Revolution – repariert werden. Nach Russland zurückgeschickt wurde der Zarenzug wohl wegen des Umsturzes dann aber nicht mehr. Der Train Géant ging verloren und war über Jahrzehnte hinweg unauffindbar. Erst in den 1970er Jahren wurden die Lokomotive und zwei Waggons auf einem Schrottplatz in Mulhouse im Elsass entdeckt. Der Finder reparierte den Zug notdürftig mit Gips und Farbe.

Ein Schweizer Eisenbahnkönig entdeckte den verschollenen Zug

Der Schweizer Blechspielzeugsammler Alois Bommer war lange auf der Suche nach dem Train Géant. Und als 1996 vor einer Versteigerung in Paris eine Lokomotive im Auktionskatalog auftauchte, die nur sehr marginal beschrieben war, wurde Bommer hellhörig. Der sogenannte Eisenbahnkönig flog nach Frankreich, sah sich das lädierte Exponat an und wusste sofort, dass es sich um den Zarenzug handelte. Bommer ersteigerte die Lok und die Wagen für rund 14 000 Euro, was einem Schnäppchen gleichkam. Der Auktionator soll darüber wenig erfreut gewesen sein, gilt der Train Géant doch als kleines französisches Nationalheiligtum.

Bommer wiederum ließ das legendäre Stück, das er als „Gral meines Sammlerlebens“ bezeichnete, von Experten restaurieren und stellte es im Technorama in Winterthur aus. Nach seinem Tod im Jahr 2009 ging der größte Teil von Bommers Sammlung in eine Stiftung über. Der Zarenzug indes wurde den Nachfahren ausgehändigt, die das Objekt jetzt über das Auktionshaus Hohenstaufen veräußern möchten. Das Mindestgebot liegt bei 35 000 Euro.

Spannend ist, wer das begehrte Objekt erwerben wird

Mit Blick gerade auf die Historie des Objekts darf man äußerst gespannt sein, in welche Dimension die Gebote sich entwickeln. Auch Hans Georg Grupp, der Chef des Hauses, vermag darüber nur zu spekulieren. „Wie die Nachfrage gezeigt hat, ist das Interesse insgesamt groß, auch was den Zarenzug angeht.“ Aber oft sei es so, dass das höchstbewertete Objekt nicht auch das sein müsse, das am Ende den höchsten Erlös erziele. So könne es durchaus sein, dass der Train Géant gerade bei Bietern aus Frankreich oder Russland sehr begehrt sei, ergänzt Grupp. Ob finanzkräftige Interessenten aus diesen Ländern nach Göppingen kommen, ist unklar. „Wir haben es natürlich auch dort propagiert. Aber da hält sich natürlich jeder bedeckt oder schickt Mittelsmänner in die Auktion“, erklärt er.