Florian Sieber ist erst 30 Jahre alt, leitet aber seit 2013 das Traditionsunternehmen Märklin. Auch nach der Übernahme leidet der Hersteller von Modelleisenbahnen unter sinkendem Umsatz. Sieber erklärt im Interview, wie er das ändern will.

Göppingen - Neue Kunden zu gewinnen, ohne die Stammklientel, die Sammler und Modelbahn-Profis, zu verlieren. Dieses Ziel hatte sich Florian Sieber mit Märklin gestellt, als er den kriselnden Modellbahnbauer im Frühjahr 2013 zusammen mit seinem Vater aus der Insolvenz übernahm. Knapp drei Jahre später suchen die Göppinger immer noch den Wachstumspfad. Größte Schwierigkeit dabei: Die Sammler sind dem Traditionsunternehmen nicht treu genug.

 
Herr Sieber, die Spielwarenbranche steht hervorragend da. Wieso profitiert Märklin nicht von der guten Stimmung?
Wir profitieren auch davon, gerade in den Spielwarenbereichen. Mit unseren Produkten für Kinder und Jugendliche, allen voran Märklin „Start-up“, aber auch mit unseren Einsteiger-Sets für junge Erwachsene verzeichnen wir zum Teil deutliche Zuwächse im Spielwarenhandel. Bei „Start-up“ bis zu 30 Prozent. Leider konnten wir mit den genannten Zuwächsen den Rückgang im Sammlersegment nicht kompensieren.
Wie entwickeln sich die einzelnen internationalen Märkte?
Der US-Markt hat sich sehr gut entwickelt. Wir konnten dort um 50 Prozent auf rund 3,5 Millionen Euro Umsatz zulegen. Auch mit der Entwicklung in Großbritannien und Osteuropa sind wir zufrieden. Unser geplanter Einstieg in den russischen Markt liegt dagegen auf Eis. Der Markt ist zurzeit unberechenbar. Bei dem momentanen Wechselkurs brauchen Sie keine hochwertigen Spielwaren von Europa nach Russland exportieren.
Woran liegt es, dass Sie sich bei Ihrer Stammklientel so schwer tun?
Das liegt aus meiner Sicht vor allem daran, dass immer mehr Sammlerstücke aus zweiter Hand auf den Markt kommen. Da findet jemand ein paar Loks aus seiner Kindheit auf dem Dachboden oder erbt eine Sammlung. Diese Sachen werden dann bei Ebay oder – was für uns noch problematischer ist – sogar bei unseren eigenen Fachhandelspartnern verkauft. Da fließt Kaufkraft von der gleichen Zielgruppe ab, die wir auch mit unseren regulären Produkten ansprechen.
Wie wehren Sie sich dagegen?
Wir wollen auf der einen Seite unsere Neuheiten über Innovationen und technische Feinheiten von den alten Produkten abgrenzen. Auf der anderen Seite müssen wir auch mit dem Fachhandel sprechen, damit der seinen Fokus wieder stärker auf unsere Neuheiten als auf die Vermarktung von gebrauchten Artikeln konzentriert.
Könnten Sie den Händlern diesen Vertrieb nicht einfach untersagen?
Das wollen und dürfen wir nicht. Aber wir unterstützen unsere Partner ja auch an anderer Stelle, wenn sie Anliegen an uns herantragen. Das müssen wir nicht tun.
Ist es überhaupt realistisch, dass Sie die entgangenen Umsätze mit teuren High-End-Produkten für Sammler durch steigende Verkaufszahlen von günstigeren Einsteiger-Modellen für junge Kunden kompensieren?
Grundsätzlich sind die prozentualen Margen pro Produkt nicht weit auseinander. Allerdings macht das Profisegment momentan noch mehr als 80 Prozent unseres Absatzes aus. Da ist es nicht so einfach, entgangene Umsätze auf der anderen Seite auszugleichen. Deswegen erwarten wir für das Geschäftsjahr 2015/2016 (bis 30. April) auch einen leichten Umsatzrückgang.
In welcher Größenordnung?
Wir rechnen mit 96 Millionen Euro. Im Jahr davor lagen wir bei 98 Millionen Euro, das wäre ein Rückgang von rund zwei Prozent.
Seit Sie Märklin im Frühjahr 2013 gemeinsam mit Ihrem Vater aus der Insolvenz übernommen haben, sind die Umsätze konstant zurückgegangen. Sie sind bei mehr als 100 Millionen gestartet und haben Ihre Zielvorgaben nie erreicht.
Das ist sicher keine zufriedenstellende Entwicklung. Uns war bewusst, dass der Modelleisenbahnmarkt kein Wachstumsmarkt ist. Wir hatten aber erwartet, dass wir die klassischen Profi- und Sammlerbereiche stabil halten und in den Kindersegmenten wachsen und damit insgesamt wachsen können. An diesem Ziel halten wir fest und sind optimistisch, dass uns das früher oder später gelingen wird.
Schreiben Sie mit Märklin schwarze Zahlen?
Das tun wir. Und wir sind uns sicher, dass wir auch im kommenden Jahr profitabel bleiben werden.
Und was ist, wenn Ihnen das irgendwann nicht mehr gelingt?
Wir müssen uns der Nachfrage im Markt anpassen. Sollte die weiter zurückgehen, müssten wir die Organisation auf ein niedrigeres Umsatzlevel ausrichten, um weiterhin die Möglichkeiten zu haben, in neue Produkte zu investieren.