Ein Auftragsmord macht Serbiens Hauptstadt erneut zum Schauplatz einer Blutrache-Fehde. Die Öffentlichkeit rätselt, ob die Polizei bloß hilflos ist oder in die kriminelle Unterwelt verstrickt.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Belgrad - Wer Gewalt sät, erntet Gewalt. Mehr als 60 Schüsse durchsiebten in der Neujahrsnacht den mutmaßlichen Berufskiller Davor Baltic, als der 41-jährige Montenegriner sich am Steuer seines Autos der Tiefgarage einer angemieteten Wohnung in der serbischen Hauptstadt Belgrad näherte. Die vermutlichen Tatwaffen der beiden flüchtigen Schützen wurden wenige Stunden später in einem ausgebrannten Auto ohne Kennzeichen gefunden. „Die Clans aus Montenegro verlegen ihren Krieg auf die Straßen Belgrads,“ kommentierte die Zeitung „Blic“ das erneute Blutvergießen.

 

Eine im spanischen Valencia 2014 verschwundene Lieferung von 200 Kilo Kokain soll der Auslöser der Blutfehde zweier Drogengangs aus der montenegrinischen Küstenstadt Kotor gewesen sein. Ob die Mordopfer im Gefängnishof, im Cafe oder auf dem Fußballplatz liquidiert wurden, ob sie selbst schwere Jungs oder nur deren Angehörige oder Freunde waren: Die blutige Abrechnung zwischen dem Kavcan- und dem Skaljari-Clan hat in Montenegro, Serbien und Bosnien und Herzegowina mehr als 20 Menschenleben erfordert. Und immer häufiger ist Belgrad der unfreiwillige Schauplatz der Morde.

Der Mord dürfte den Hass zwischen den verfeindeten Clans noch vergrößern

Die Millionenstadt biete den Killern guten Unterschlupf, zudem hätten die Narko-Clans einen Teil ihrer Drogengelder in Immobilien im Belgrader Stadtzentrum investiert, erklärt das Online-Portal „Vesti“. Der neue Mord dürfte den Hass zwischen den verfeindeten Clans noch vergrößern.

Nicht nur die Liquidierung 2016 eines Hooligan-Anführers von Partizan Belgrad, sondern auch die mysteriöse Massenprügelei im Partizan-Block beim Spiel gegen den Lokalrivalen Roter Stern im Dezember deuten darauf hin, dass Montenegros Unterweltfehde auch Serbiens Hooliganszene erschüttert. Die soll mit der Drogenmafia eng verquickt sein. Die Öffentlichkeit rätselt, ob die Tatenlosigkeit der serbischen Polizei Ausdruck ihrer Hilflosigkeit ist oder Folge ihrer engen Bande zur Unterwelt.

Der Ermordete war mit einer Polizistin im Auto unterwegs

Ungeschoren kam bei dem tödlichen Anschlag auf Baltic dessen Beifahrerin davon. Noch mehr verwundert die Presse allerdings die Identität der Person, mit der der Mafioso durch die Neujahrsnacht kutschiert war: Die Polizistin Marija N., angeblich eine enge Freundin der Frau des Ermordeten, war in der Mordnacht eigentlich im Dienst. Nicht minder seltsam wirkt das Verhalten der mittlerweile suspendierten Polizistin: Sie warf die Waffe ihres getöteten Bekannten in einen nahen Müllcontainer, bevor sie das Eintreffen der von Nachbarn alarmierten Polizei abwartete.

Sicherheitsexperten zeigen sich vor allem darüber besorgt, wie freizügig sich die meist polizeibekannten Mafiosi in Serbien bewegen können. Die Sicherheitsdienste hätten es den Kriminellen aus dem Nachbarland erlaubt, Belgrad zu ihrem „sicheren Haus“ zu machen, konstatiert der frühere stellvertretende Innenminister Bozo Prelevic. Dass deren Angehörige meist über serbische Pässe verfügten, wertet er als Indiz, dass diese „logistische Hilfe“ in Serbiens Staatsapparat genießen würden. Auch der „Blic“-Journalist Vuk Cvijic glaubt, dass es keine organisierte Kriminalität ohne Kontakte zu Staatsorganen gebe: „Der Konflikt gewinnt an Intensität, immer mehr der Clanführer befinden sich in Serbien. Aber wir sehen nicht, dass die Staatsorgane irgendeine ernsthafte Aktion dagegen unternehmen.“