Winfried Kretschmann ist damit einverstanden, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Nach einer Zustimmung weiterer Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung sieht es allerdings nicht aus.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - In der Debatte um Verschärfungen bei Abschiebungen ist die geplante Einstufung der Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten wieder im Gespräch. Am Mittwoch signalisierte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seine Zustimmung zu dem Vorhaben der großen Koalition im Bundesrat und verknüpfte die Frage mit den Vorfällen an Silvester. „Die kriminelle Energie, die von Gruppierungen junger Männer aus diesen Staaten ausgeht, ist bedenklich und muss mit aller Konsequenz bekämpft werden“, sagte er der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Mittwoch).

 

Ob auch andere Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der Grünen dem Gesetz im Bundesrat zustimmen werden, ist aber weiter fraglich. Das Gesetz, das bereits im Sommer vom Bundestag verabschiedet wurde, hängt deshalb seit Monaten in der Länderkammer fest. Neben Baden-Württemberg müssten mindestens drei, bei kleineren Ländern mit weniger Stimmen sogar vier weitere Landesregierungen mit Ja stimmen, an denen die Grünen beteiligt sind. Die Partei steht dem Vorhaben aber prinzipiell ablehnend gegenüber. Die nächste Plenarsitzung imi Bundesrat ist am 10. Februar, die Tagesordnung noch nicht bekannt.

Grüne weiter gegen Kretschmanns Kurs

Bei der Einstufung als sichere Herkunftsstaaten können Anträge von Asylsuchenden von dort im beschleunigten Verfahren behandelt und in aller Regel abgelehnt werden. Die Koalition erhofft sich dadurch schnellere Verfahren und Rückführungen abgelehnter Asylbewerber.

Mit seiner Aussage erntete Kretschmann umgehend Widerspruch aus der eigenen Partei. Sowohl Parteichefin Peter als auch Fraktionschef Anton Hofreiter und Sylvia Löhrmann, die grüne Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfale, reagieren mit Ablehnung. Kretschmanns Vorschlag „löst keine Probleme und vereinfacht nicht die Abschiebungen von vollziehbar Ausreisepflichtigen“, betont Löhrmann. Auch Hofreiter bleibt bei seiner Linie. „An meiner Position hat sich nichts geändert. Die Einstufung Tunesiens als sicherer Herkunftsstaat hätte im Fall Amri nichts geändert“, so Hofreiter gegenüber dieser Zeitung. Er sieht in der Debatte ein „Ablenkungsmanöver der Union von eigenen Versäumnissen.“ Peter verwies darauf, dass es andere und bessere Instrumente gebe.

Streit um Simone Peter beigelegt

Kretschmann hatte zuvor lange bei der Einstufung der drei Länder als sichere Herkunftsländer gezögert - unter anderem wollte er erst in Erfahrung bringen, inwieweit Homosexuelle dort verfolgt werden. Schon im Juni hatte er dann aber Zustimmung signalisiert - auch mit Rücksicht auf die CDU, die dazu drängte.

Nachdem die Parteivorsitzende Simone Peter in einem Interview ihre umstrittenen Äußerungen über den Polizeieinsatz in Köln zurechtgerückt und eingeräumt hat, dass Sie voreilig Schlussfolgerungen aus den Ereignissen der Silvesternacht in Köln gezogen hat, ist die Erleichterung bei den Grünen mit Händen zu greifen. „Es tut mir leid, dass meine Äußerungen durch Verkürzung in eine Schieflage geraten sind. Ich hätte abwarten sollen, bis weitere Informationen vorliegen“, sagte sie in einem Gespräch mit „Spiegel-Online“.

Grüne befürchten, dass der Start ins Wahljahr verhagelt worden ist

Peter hatte zunächst erklärt, wegen des Vorgehens der Polizei in Köln stelle sich „die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit, wenn insgesamt knapp tausend Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft“. Dafür hatte sie massive Kritik geerntet. Auch Parteifreunde hatten sich klar von ihrer Position abgegrenzt.

Dass Peter sich korrigiert und versucht hat, den entstandenen Flurschaden im gerade beginnenden Wahljahr zu begrenzen, wird in der Partei allenthalben begrüßt. Özdemir gab Peter am Mittwoch ein wenig Flankenschutz. Er sprach von einer üblen Kampgange gegen Peter, weil etwa die „Bild“-Zeitung die Grünen-Chefin in Anlehnung an das Kürzel „Nafri“ (Nordafrikanische Intensivtäter) als „Grüfri“ („Grün-Fundamentalistisch-Realitätsfremde Intensivschwätzerin“) eingestuft hatte. Die Furcht, dass der grüne Start ins Wahljahr durch Peters Einlassungen über den Tag hinaus verhagelt worden ist, ist damit aber nicht vom Tisch – ebensowenig wie der innerparteiliche Konflikt in der Sache.