Die Schauspielerin Maja Beckmann hat das erste Mal Bochum und ihrer Großfamilie Adieu gesagt und spielt jetzt am Stuttgarter Staatstheater. Es gefällt ihr in der neuen Heimat, obwohl sie vorher nichts Gutes über Stuttgart gehört hatte.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Eigentlich ist es erstaunlich, dass sich Maja Beckmann für Stuttgart entschieden hat. „Niemand spricht gut über die Stadt“, erzählt sie. Ihr kommt es ein bisschen vor wie bei dem Film „Willkommen bei den Sch’tis“, in dem ein Postbeamter an den angeblich schlimmsten Ort der Welt versetzt wird. „Alle reden schlecht über das komische Essen“, sagt Maja Beckmann. Nichts Gutes habe man ihr von Stuttgart berichtet.

 

Seit diesem Sommer ist die Schauspielern Mitglied im neuen Ensemble am Schauspiel Stuttgart – und es geht Maja Beckmann ebenso wie dem Postbeamten bei den Sch‘tis: Es gefällt ihr in der neuen Heimat. „Alle sind ganz freundlich“, sagt sie, „weder musste ich bisher fegen noch dauernd Maultaschen essen“. Besser noch: „Man hat uns mit offenen Armen und neugierigen Nasen empfangen“, sagt sie. Einen besseren Start hätte sich das Ensemble von Armin Petras nicht wünschen können.

Schauspieler sind es gewohnt, alle paar Jahre ihr Bündel zu packen und in eine neue Stadt, an ein anderes Theater weiterzuziehen. Für Maja Beckmann ist es das erste Mal – obwohl sie mit ihren 36 Jahren schon einige Berufserfahrung auf dem Buckel hat. Zwölf Jahre war sie im Ensemble des Schauspielhauses Bochum, zunächst als Elevin in der Ausbildung, dann als Schauspielerin. Weil sie einen Sohn großzuziehen hatte, war es ihr recht, an einem Ort bleiben zu können.

Zeit für einen Wechsel

Maja Beckmann ist ein Familienmensch – und musste ihrer Familie nun erst einmal Adieu sagen musste. Sie waren fünf Kinder, vier davon sind Schauspieler geworden. In den vergangenen Jahren haben sie auch gemeinsam als freie Truppe Projekte entwickelt – „Spielkinder“ hat der Vater sie genannt. „Es war eine Herzenssache“, sagt Beckmann, „aber es war keineswegs immer harmonisch, sondern auch ziemlich anstrengend ohne Regisseur. Wir haben uns auch gefetzt.“ Die Geschwister haben alle zusammen in einem Haus gewohnt. „Wir haben uns die Kinder auch mal rübergeschoben“, erzählt sie, „das vermisse ich.“

Trotzdem war es Zeit für einen Wechsel, Zeit, sich von Bochum und dem Ruhrgebiet zu verabschieden. Ihre Schwester Lina Beckmann spielt seit dieser Saison am Hamburger Schauspielhaus. Maja Beckmanns Sohn ist inzwischen 16 Jahre alt und fängt an, sich abzunabeln. Ihr Freund ist mit nach Stuttgart gekommen, auch er ist Schauspieler. Die Monate in Stuttgart haben Maja Beckmanns Blick auf das Ruhrgebiet bereits verändert. „Es ist immer Heimat für mich“, sagt sie, „aber wenn ich zurückfahre, stelle ich fest, wie hässlich es auch ist, wie viel Armut es gibt“. Die Städte hätten im Ruhrgebiet „ganz schön zu kämpfen“ – im Vergleich zu Stuttgart.

„Ein Kompass in alle Richtungen“

In Bochum hat Beckmann zwar mehrere Intendanten erlebt, aber ein Neustart wie hier in Stuttgart ist für sie eine spannende Erfahrung. „Man weiß nicht, wie die anderen spielen, wie man miteinander spielt“, sagt Beckmann. Sie kannte die Kollegen nicht, sie hat auch noch nie mit Armin Petras gearbeitet und hatte nur eine vage Ahnung, „welche Energie“ er mitbringt. „Ich habe das Gefühl, ich brauche einen Kompass in alle Richtungen.“

Ihren Einstand am Schauspiel Stuttgart gab Maja Beckmann bei der Ensemblevorstellung als sterbender Schwan – und tanzte im rosa Tütü. Ihre erste große Rolle ist die Adelheid von Walldorf in Goethes „Urgötz“ – wobei Beckmann bei der Lektüre erst einmal dachte: „Was ist das für ein komisches Stück?“ Bei den Proben mit dem Regisseur Simon Solberg sei es auch nicht einfacher geworden. „Er sagte: Baut euch aus dem Kühlschrank eine Rüstung“, erzählt Beckmann. Da habe sie entgegnet: „Es ist so schwierig, einen Kühlschrank anzuziehen, weil ich nicht weiß, wo ich die Arme durchstecken soll.“

„Es ist alles richtig so.“

Als Adelheid hat Beckmann ihr enormes komödiantisches Talent bewiesen – auch wenn sie nicht sagen würde, dass ihr Komik besonders liegt. Sie will nicht auf einen Typ festgelegt werden, sie könnte nicht einmal sagen, wofür sie steht. „Man verändert sich doch im Laufe der Zeit“, sagt Beckmann, „Man springt vom Einser und irgendwann kann man vielleicht vom Fünfer springen“.

Maja Beckmann ist eine freundliche, besonnene Person, die ihre Kunst nicht lautstark vor sich her trägt und auch „nicht dauernd was darstellen muss“. Auch wenn sie überzeugt ist, dass Theater ein „Ort ist, an dem man vielleicht Menschen öffnen kann“, so lebt sie auch gern ihr „Leben neben dem Theater“, geht mit dem Hund spazieren oder trägt ihr Rad die Stuttgarter Staffeln rauf und runter, weil sie sich eben doch noch nicht so gut auskennt. Eines weiß sie aber sicher: „Ich bin froh, dass wir nicht in der Hochblüte von Stuttgart 21 angefangen haben.“ Sie hatte sich in den vergangenen Jahren in Bochum immer mal wieder versucht vorzustellen, wie es wäre, „wenn man woanders spielt und noch mal auf Anfang geht“. Jetzt weiß sie es und ist sicher: „Es ist alles richtig so.“