Erstmals seit zwei Jahren findet auf Mallorca wieder eine Corrida de Toros statt. Dabei ist die Tradition, Tierschützern sei dank, in Spanien eigentlich auf dem Rückzug.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - „Warten Sie nicht, bis es zu spät ist“, werben die Veranstalter des Stierkampfes, der an diesem Freitag in der Arena von Palma de Mallorca stattfinden soll. „Zu spät“ soll heißen: bis die „Tauromaquia“ – also die Stierkampfkunst – in Spanien eines Tages vielleicht doch verboten wird. Noch ist sie erlaubt, auch wenn einige Politiker seinen Befürwortern, den „Aficionados“, das Leben gerne schwermachen würden.

 

Vor zwei Jahren hatte die linke Balearenregierung ein Gesetz durchs Regionalparlament gebracht, das die Schaukämpfe prinzipiell weiterhin erlaubte – aber nicht die Verletzung des Tiers, geschweige denn den finalen Todesstoß. Für die Anhänger wäre ein solcher Stierkampf so absurd wie Fußball ohne Ballberührung. Das spanische Verfassungsgericht erklärte die Einschränkungen Ende 2018 für nichtig, weil sie in Kompetenzen des nationalen Gesetzgebers eingriffen. Also sollen am späten Freitagabend auf der Plaza de Toros in Palma wieder Stiere herausgefordert, malträtiert und erstochen werden: insgesamt acht, während bei einer gewöhnlichen Corrida sechs Stiere auflaufen. Aber diese ist keine gewöhnliche Corrida.

Die Tötung des Stiers dauert etwa zehn Minuten

Corrida bedeutet Lauf, und das ist ein passenderes Wort als Stierkampf. Der Torero kämpft nicht mit dem Stier, er vollzieht dessen rituelle Tötung. Zehn Minuten dauert dieses qualvolle Ritual. Der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz nannte diese zehn Minuten „Poesie in Bewegung“. Die spanischen Tierschützer nennen sie Folter. Und nach einer aktuellen Umfrage der Netzzeitung „El Español“ befürworten nur 24,7 Prozent der spanischen Bevölkerung diese Tradition. Der Stierkampf ist im Heimatland des Stierkampfs offenbar auf dem Rückzug.

Laut dem „Jahrbuch der Kulturstatistiken“, herausgegeben vom Kulturministerium des Landes, ist die Zahl der Spektakel, die mit dem Tod des Stieres enden, von 2007 bis 2017 um mehr als die Hälfte auf 1553 gesunken. Davon waren 387 regelrechte Corridas de Toros mit ausgewachsenen Stieren.  Stierkampf ist in Spanien offenbar nichts Alltägliches mehr.

Es gibt einen harten Kern von begeisterten Zuschauern

Bemerkenswert ist allerdings eine andere Zahl, diesmal aus der sehr umfänglichen „Befragung über kulturelle Gewohnheiten“, die das Kulturministerium alle vier Jahre unter 16 000 Spaniern durchführen lässt: In der Umfrage 2014/2015 sagten 9,5 Prozent der Befragten, dass sie im Vorjahr mindestens einem Stierkampf beigewohnt hätten. Zwölf Jahre zuvor waren es etwas weniger, nämlich 8,6 Prozent. Es scheint also einen harten – in allen Altersgruppen etwa gleich großen, mehr männlichen als weiblichen – Kern von „Aficionados“ zu geben, der sich nicht abschrecken lässt und den Matadoren weiter zusehen will. Da die Zahl der angebotenen Corridas aber sinkt, gehen die Anhänger offenbar seltener in die Arena als früher. Aber sie gehen noch. Die Anhänger der „Tauromaquia“ wissen, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung argumentativ nicht mithalten können. Der Mallorquiner Anwalt Manuel Molina setzt in einem Artikel über die Menschen, die sich am Stierkampf erfreuen, ein Fragezeichen hinter das Wort „humanos“.

Solchen Frontalangriffen stellt sich seit einigen Jahren die Stiftung Kampfstier mit Sitz in Madrid. „Der Stier leidet“, gibt Stiftungssprecher Chapu Apaolaza ohne Umschweife zu. Aber dafür erlebe der Zuschauer in der Arena die Inszenierung „des Bedürfnisses des Menschen, sich dem Tod zu nähern, um sich lebendig zu fühlen“. Das sei die „Poesie“, von der Octavio Paz spricht. Und dafür lässt man Tiere leiden? „Ja“, sagt Apaolaza und fragt rhetorisch nach: „Oder haben Tiere etwa dieselben Rechte wie Menschen?“ Um die Antwort auf diese Frage werde gerade ein Kampf geführt. „Aber selbst wenn ihr Hühnchen esst, wisst ihr schon, auf welcher Seite ihr in diesem Kampf steht.“