Die Stuttgarter Zeitung schreibt wieder ihren Malwettbewerb aus. Denn alle Kinder greifen gern zum Stift, wie die Stuttgarter Erzieherin Bettina Zink sagt.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Es wird Weihnachten, und das Motto des diesjährigen Malwettbewerbs erinnert an die Geburt des Christuskindes. „Jesus feiert Geburtstag“ lautet das Motto des Kindermalwettbewerbs. Die Stuttgarter Zeitung schreibt wieder ihren Malwettbewerb aus. Denn alle Kinder greifen gern zum Stift, wie die Stuttgarter Erzieherin Bettina Zink sagt

 
Frau Zink, fangen Kinder eigentlich von allein an zu malen?
Ja. Wir haben auch kleine Kinder, sobald die laufen können, spazieren sie zu mir ins Atelier rein. Wir haben auf verschiedenen Höhen Staffeleien oder auch Wachsmalstifte griffbereit – und die Kinder stellen sich einfach hin und machen ihre ersten Striche. Das ist schön anzuschauen, kaum laufen sie – schon wird gemalt. Schon die Jüngsten hinterlassen ihre Spuren.
Das sind dann wilde Striche?
Entwicklungstechnisch fangen Kinder mit ,Kritzel-Kratzel-Bildern‘ an. Am Anfang sind das Striche. Einen Kreis zu schließen, ist eine große Leistung für ein Kind und hirnphysiologisch ein großer Schritt. Die Kinder malen Kreise, und wenn er sich das erste Mal schließt, geht ein Lachen über ihr Gesicht. Das ist wie ein göttlicher Funke, wenn es zum ersten Mal gelingt.
Greifen Kinder immer erst zu roten Stiften?
Nein, da geht es nicht um die Farbe, sondern nur um den Prozess des Malens.
Leiten Sie die Kinder an, bestimmte Dinge zu zeichnen?
Wir haben verschiedene Bereiche, einen Ton- und Knetbereich, wir haben Staffeleien und Gläser aus Glas, in die verschiedene Sachen kommen, Eicheln, Blätter oder auch verwertbares Material von Verpackungen. Da können die Kinder ihre Kreativität ausleben und schauen, was sie gerade brauchen. Aber bei uns muss man nicht zu einer bestimmten Zeit sitzen und malen. Wenn der Kanal offen ist und die Kinder ihre Lust entdecken, etwas damit zu machen, dann sind sie voller Freude und Hingabe dabei.
Entwickeln alle Kinder irgendwann Lust am Malen?
Ja, aber nur dann, wenn man sie lässt. Früher mussten in den Kindergärten alle am Tisch sitzen und das gleiche machen – dabei ist die Lust am Kreativen oft verloren gegangen.
Warum sollen Kinder malen?
Das ist die Sprache der Seele, da kommt das Innere heraus und wird sichtbar. Für jedes Kind ist es, egal was es zeichnet, das Beste, was es geben kann – deshalb muss man aufpassen mit Kommentaren wie „das ist nicht gut“ oder „das musst du anders machen“.
Können Sie aus den Zeichnungen auch etwas über die Kinder herauslesen?
Ja, das könnte ich. Wenn es Entwicklungsstörungen gibt, kann ich ein Auge darauf haben. Aber wir sind eher auf das Positive gerichtet und schauen, was das Kind kann und versuchen es darin zu stärken. Es lassen sich außerdem Gefühle oder Lebensthemen in den Bildern erkennen, die die Kinder gerade beschäftigen.
Auch beim StZ-Malwettbewerb stellt man häufig fest, dass die Kinder versuchen, die Wirklichkeit möglichst präzise zu kopieren.
Da stehen wahrscheinlich die Erwachsenen daneben. Sie wollen ja den ersten Preis gewinnen. Wie später in der Schule will jeder das schönste und beste Bild abliefern. Es geht nicht darum, die Kreativität zu fördern, sondern den ersten Preis im Leben zu gewinnen. Da sehen die Häuser eben immer gleich aus. Für mich ist Kreativität, wenn ein Haus auch mal ein schiefes oder buntes Dach.
Wirkt sich der kulturelle Hintergrund aus auf das, was Kinder malen?
Nein, es sind alle Kinder. Aber wenn ein Kind aus einem Kriegsgebiet kommt, kann es schon sein, dass vermehrt Waffen gemalt werden. Es spiegelt sich eben die Seele wider.
Versuchen Sie Talent speziell zu fördern oder es in Bahnen zu lenken?
Das wäre gerade kontraproduktiv. Die, die toll malen, kommen ohnehin jeden Tag ins Atelier. Außerdem wollen wir vornehmlich die erreichen, die noch Ängste haben oder denken, dass sie es nicht gut können. Aber natürlich beschäftigen wir uns auch mit Künstlern wie Hundertwasser oder Frida Kahlo, wir gehen ins Museum und schauen gemeinsam Bilder an. Dabei ist das Alter nicht so wichtig, sondern wir richten uns nach den Interessen der Kinder.