Ihr Mann hatte einen anfeuernden Brief an Stefan Mappus geschrieben. Deshalb muss eine Richterin am Amtsgericht Stuttgart nun ein Mammutverfahren gegen Stuttgart-21-Gegner abgeben.

Stuttgart - Ein anfeuernder Brief ihres Ehemannes an den damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) hat für eine Richterin am Amtsgericht Stuttgart weitere Konsequenzen. Das Gericht entzog ihr jetzt auch das Mammutverfahren gegen dreißig Stuttgart-21-Gegner, die des Landfriedensbruchs bei der „Erstürmung“ des Grundwassermanagements im Sommer 2011 beschuldigt werden. Dies bestätigte eine Gerichtssprecherin der Stuttgarter Zeitung. Mit dem Beschluss widersprach das Gericht der Einschätzung der Richterin, die ihre Unparteilichkeit nicht beeinträchtigt sah.

 

In dem durch einen StZ-Bericht bekannt gewordenen Brief hatte der Ehemann, ein Rechtsanwalt, Mappus für seinen harten Kurs bei der Durchsetzung des Bahnprojekts gelobt. Der Regierungschef solle sich „vom Getöse der Straße nicht beirren lassen“, schrieb er kurz nach dem Polizeieinsatz im Schlossgarten. Das Gros der arbeitenden Bevölkerung habe ohnehin „keine Zeit zu demonstrieren“. Die Richterin will von dem Schreiben nichts gewusst haben, obwohl im Briefkopf auch ihr Namen aufgeführt war und Mappus’ Dankesbrief an beide Eheleute adressiert war. Ihr Mann habe den Brief „unabgestimmt (. . .) unter Verwendung unseres privaten Briefbogens im eigenen Namen verfasst und allein unterschrieben“.

„Aufgewühlte Stimmung“ berücksichtigt

Im Beschluss des Amtsgerichts wird die sogenannte Selbstanzeige der Richterin – entgegen deren Einschätzung – für begründet erklärt. Der Vorgang sei „vom Standpunkt eines anfechtungsberechtigten Beteiligten aus zu beurteilen“, heißt es zur Begründung. Neben rechtlichen Fragen spielten in den Verfahren gegen Projektgegner „die persönliche Betroffenheit der Angeklagten“ und die „emotional aufgewühlte Stimmung“ immer wieder eine große Rolle. Daher genügten „bereits geringste Zweifel an der Unparteilichkeit der (. . .)  Richterin, um aus Sicht der Angeklagten eine Besorgnis der Befangenheit zu bejahen“.

Etliche Anwälte der Betroffenen hatten bereits Befangenheitsanträge angekündigt oder auf den Weg gebracht. Das Schreiben des Anwaltes an Mappus hatte der ehemalige Richter am Landgericht Dieter Reicherter bei seiner Akteneinsicht im Staatsministerium zu Tage gefördert. Reicherter kommentierte den Beschluss mit den Worten, das Gericht habe sich „elegant um die Klärung der eigentlichen Frage gedrückt, ob die Richterin tatsächlich befangen ist“.

Dienstaufsichtsbeschwerde wurde abgewiesen

Die Richterin war bereits von einem Verfahren ausgeschlossen worden und dürfte an keinen Prozessen zu Stuttgart 21 mehr mitwirken dürfen. Es gebe aber „keinen Automatismus“, sagte die Gerichtssprecherin, man müsse „in jedem Einzelfall neu prüfen“. Für bereits von ihr Verurteilte habe der Beschluss keine Konsequenzen. Die Richterin war durch besonders harte Urteile aufgefallen, in denen der Gewaltbegriff im Einklang mit der Staatsanwaltschaft sehr weitgehend ausgelegt worden war. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde einer Anwältin gegen sie hatte das Gericht durch den Vizepräsidenten zurückgewiesen.