Infrastrukturminister Alexander Dobrindt und EU-Digitalkommissar Günther Oettinger finden auf dem alljährlichen Spitzentreffen von Managern und Politikern in Isny klare Worte: Deutschland müsse beim Thema Daten an Chancen denken, nicht nur an Risiken.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Isny - Nach Einschätzung von Alexander Dobrindt ist für Unternehmen der Zugriff auf Daten die alles entscheidende Frage für ihre künftige Wettbewerbsfähigkeit. „Wer Daten und ihre Plattformen beherrscht, sitzt an den Schaltstellen der Wirtschaft“, sagte der CSU-Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur auf der sogenannten Isny-Runde voraus, zu der seit vielen Jahren der Ludwigsburger Saatgutunternehmer Helmut Aurenz namhafte Manager und Politiker einlädt.

 

Daten seien der Rohstoff des 21. Jahrhunderts, sagte Dobrindt. Ob die minütlich zwei Millionen Suchanfragen bei Google oder die 1,8 Millionen „Likes“ bei Facebook in der gleichen Zeit; ob die Daten in der intelligenten Fabrik oder im vernetzten Auto: die Sammlung immer größerer Datenmengen („big data“) und ihre intelligente Auswertung („smart data“) seien die neuen Schlüsseltechnologien, die über den Wohlstand eines Landes entscheiden würden. Deutschland brauche deshalb eine neue digitale Ordnungspolitik. Als Hemmschuh für neue Geschäftsmodelle sieht der Minister vor allem den seiner Auffassung nach zu weit gehenden Datenschutz in Deutschland.

Unterstützung fand er bei dem neuen EU-Digitalkommissar Günther Oettinger. „Übertreibt es nicht mit dem Datenschutz“, rief er den Deutschen zu. Wer Daten perfekt schütze, der könne sie nicht mehr nutzen. Gefragt seien ein pragmatischer Umgang und ein Interessenausgleich zwischen Wirtschaft und Nutzern. Welche Rolle der gegenwärtige und potenzielle Zugang zu Daten spiele, belege ein Blick an die Börse. Die vier US-Unternehmen Google, Apple, Facebook und Amazon seien gemeinsam rund doppelt so viel wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Aktienindex (Dax). Selbst ein Unternehmen wie der Online-Schuhhändler Zalando, das noch nie Gewinne erwirtschaftet habe, sei an der Börse wertvoller als die Lufthansa – wegen des Zugriffs auf Kundendaten.

Grundsätzlich sahen die Politiker wie wohl auch die anwesenden Manager Deutschland gut gerüstet für die Herausforderungen. Zwar sei die hiesige Wirtschaft auf dem Gebiet der Internet- und IT-Industrie gegen die US-Riesen hoffnungslos unterlegen. Insbesondere deutsche Firmen mit ihrem Fertigungs-Knowhow hätten jedoch in der Vernetzung und Digitalisierung der klassischen Industrie (sogenannte Industrie 4.0) gute Chancen, den Wettbewerbsnachteil aufzuholen. Angesichts der sich schnell verändernden Marktbedingungen in der digitalen Welt sei es gut möglich, dass ein Unternehmen, das in gut zehn Jahren eine wesentliche Rolle spiele, heute noch gar nicht gegründet sei.

Europa muss mehr investieren

Damit Europa den Anschluss aber nicht verliere, seien weit reichende Veränderungen erforderlich, waren sich der Bundesminister und der EU-Kommissar einig. Das beginne bereits bei sehr grundsätzlichen gesetzlichen Fragen: „In den USA ist alles erlaubt, wenn es nicht verboten ist. In der EU ist es umgekehrt. Solange sich das nicht ändert, werden wir auf der Verliererseite stehen“, sagte Dobrindt.

Darüber hinaus sei neben der Schaffung eines digitalen Binnenmarkts innerhalb der EU, in dem technische und regulatorische Standards festgelegt werden müssten, ein beherzter Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland und Europa erforderlich. Der Minister erläuterte seine Ausbaupläne, die er selber angesichts der rapide wachsenden Datenflut als nicht sonderlich ambitioniert charakterisierte. Seit 2005 haben sich nämlich nach seinen Angaben die Daten, die über das Internet ausgetauscht werden, versiebzigfacht. Auch Oettinger monierte: „Das Geld, das die Bundesregierung in die Mütterrente gesteckt hat, wäre beim Ausbau der Breitbandnetze weit besser angelegt gewesen.“

Nach Ansicht des EU-Kommissars haben Europas Wirtschaft und Politik für die notwendige Transformation nicht mehr unbegrenzt Zeit. Wenn sie in den kommenden drei bis fünf Jahren nicht gelinge, bestehe die Gefahr, dass die hiesigen Unternehmen auch in ihren Kerngeschäftsfeldern von der Konkurrenz aus Übersee abgehängt würden, sagte Oettinger.

Das „schwäbische Davos“ in Isny

Veranstalter Der Ludwigsburger Unternehmer Helmut Aurenz hat 1958 mit dem Verpacken von Blumenerde in Säcke begonnen. Heute setzt sein Unternehmen ASB Greenworld (ASB steht für Aurenz Spezial Blumenerde) etwa 55 Millionen Euro um – neben Blumenerde vor allem mit Dünger. Die Firma beschäftigt etwa 400 Mitarbeiter. Der 77-Jährige ist Aufsichtsrat bei den Auto- und Lastwagenherstellern Audi, Scania und Lamborghini.

Veranstaltung Zum 35. Mal fand das Treffen am Wochenende statt. Aurenz lädt Unternehmer, Firmenchefs und Politiker zum informellen Austausch in sein Hotel Jägerhof ins Allgäu. Praktisch seit Beginn dabei ist Autopräsident Matthias Wissmann, der die Diskussionen moderiert. Die Isny-Runde gilt als „schwäbisches Davos“, in Anlehnung an das Manager- und Politikertreffen in der Schweiz. Aurenz sagt dagegen: „Wir sind unverwechselbar.“

Teilnehmer In diesem Jahr wurden unter anderem eingeladen: Der Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der VW- Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch, der Bosch-Chef Volkmar Denner, der Porsche-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller, die Chefs von Audi und EnBW, Rupert Stadler und Frank Mastiaux, der BDI-Präsident Ulrich Grillo sowie die Bewerber um die CDU-Spitzenkandidatur in Baden-Württemberg, Thomas Strobl und Guido Wolf.