Aus den Kanälen in Manchester wurden in den vergangenen Jahren 61 Leichen junger Männer gefischt. Experten glauben nicht an einen Zufall. Die Bevölkerung hat Angst vor einem mysteriösen „Schubser“.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Stuttgart - Auf seine heiße Partyszene ist Manchester immer stolz gewesen. Nachts geht es hoch her in den Pubs und Klubs der nordenglischen Stadt. Nun aber fragen sich manche Bewohner, ob Manchester inmitten seiner Vergnügungsviertel ein dunkles Geheimnis birgt, ob gar ein Serienkiller dort sein Unwesen treibt, der Partygänger ins Verderben stürzt. 61 Leichen sind, wie sich jetzt herausgestellt hat, in den vergangenen sechs Jahren aus Manchesters Kanälen gefischt worden. Das rechnet sich auf einen Toten alle 36 Tage. Besonders viele sind entlang der Canal Street am Saum des feierlustigen Gay Village, des Schwulen-Viertels von Manchester, gefunden worden. Bei den meisten Toten soll es sich um junge Männer handeln.

 

Nach Ansicht der Polizei sind etliche der jungen Leute wohl schwer alkoholisiert oder unter Drogeneinfluss nachts in den Kanal gestolpert oder von Steinmäuerchen ins Wasser gefallen. Mancherorts warnen nun Schilder vor dem „erheblichen Risiko“. Metallgitter und gläserne Trennwände sind errichtet worden, um Nachtschwärmer vor dem Sturz zu bewahren. Einige der Ertrunkenen, vermutet die Polizei, hätten sich wohl selbst töten wollen.

Experte glaubt an Serienmörder

Das ist für Professor Craig Jackson aber keine befriedigende Erklärung. Jackson, der Leiter des Fachbereichs Psychologie an der City-Universität von Birmingham, hat das Phänomen näher untersucht. „Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass eine so alarmierend hohe Zahl von Toten das Ergebnis von Unfall oder Freitod ist“, meint Jackson. Er habe sich viel mit Suiziden beschäftigt und könne daher sagen, dass nur sehr wenige Menschen den Freitod in Kanälen wählten. „Damit bliebe uns nur die Annahme, dass die Bevölkerung Manchesters ganz unglaublich tollpatschig und leichtsinnig ist und ich glaube nicht, dass das wirklich stimmt.“ Auch London, Nottingham oder Birmingham hätten jede Menge Kanäle und keinen Mangel an Kneipen entlang dieser Wasserläufe: „In den Kanälen dort haben wir nur einen Bruchteil der Zahl der Toten, die es in Manchester gibt.“

Dies führt den Professor zu dem Schluss, dass womöglich ein Serienmörder sein Unwesen in Manchester treibt. Seither wird in Manchester allerorten über den „Pusher“, einen mörderischen Schubser, gemunkelt. Auch die Bezeichnung „Gay Slayer“ (Schwulen-Schlächter) war in der Stadt schon zu hören. Zwei der 61 Fälle hat Craig Jackson als Beispiele für seine Theorie angeführt. Ein 22-Jähriger namens Chris Brahney verschwand nach einem Open-Air-Konzert, seine Freunde verloren plötzlich den Kontakt zu ihm. Er wurde zehn Tage später im Kanal gefunden. Die Untersuchungsrichterin gestand Brahneys Eltern, sie könne leider nicht erklären, wie ihr Sohn in den Kanal gekommen sei. Das offizielle Urteil lautete deshalb: Todesursache unbekannt.

Alle Opfer waren junge Männer

Die Leiche des 18-jährigen Souvik Pal wurde drei Wochen nach einer Silvesterparty in einem der Kanäle gefunden. Überwachungskameras zeigten, wie Pal den Nachtklub zusammen mit einem unbekannten Mann verließ. Anschließend kehrte der Unbekannte allein in das Gebäude zurück. Die Identität des Mannes ist bis heute nicht geklärt worden. Auch in diesem Fall: Todesursache unbekannt.

In der örtlichen Presse sind derweil besorgte Fragen von Lesern laut geworden. „Alle Ertrunkenen waren Männer, und zwar in ähnlichem Alter und sogar von ähnlichem Aussehen“, hieß es in einer Mail an die „Manchester Evening News“. Ein anderer Leser meinte: „Viele Frauen tragen doch hohe Absätze und sind auch sturzbetrunken. Wie kommt es, dass sie nicht in den Kanal gefallen sind?“

Die Polizei von Manchester warnt unterdessen vor Schauergeschichten, die sich nicht beweisen ließen. Jeder einzelne Fall werde genau untersucht, versprachen die Behörden. Bisher habe man „keine Verbindung zwischen den verschiedenen Vorfällen entdeckt“.