Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will dem größten Staatskonzern bis zu 25 Milliarden Euro Steuergeld für den Erhalt des Schienennetzes geben. Der Bundesrechnungshofs fordert hier mehr Transparenz und schärfere Kontrollen. Das derzeitige System biete „Fehlanreize“.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Der Bundesrechnungshof kritisiert jahrelange Fehlentwicklungen bei der Finanzierung des bundeseigenen Schienennetzes, die zur Verschwendung von Steuergeld in Milliardenhöhe führen würden. „Es besteht die Gefahr, dass sich der Zustand der Eisenbahninfrastruktur trotz steigender Bundesmittel weiter verschlechtert“, warnte der Präsident der Kontrollbehörde, Kay Scheller, anlässlich der Übergabe eines neuen Sonderberichts an den Deutschen Bundestag.

 

Der Rechnungshof hat damit sein schärfstes Schwert gezückt und will so erreichen, dass der zuständige Verkehrsminister Andreas Scheuer umsteuert. Beim Erhalt der Schieneninfrastruktur laufe seit Jahren „vieles schief“, kritisiert Scheller. Das zeige der massive Investitionsstau trotz immer höherer Zuschüsse. Das bisherige Finanzierungssystem sei „intransparent, nicht aussagekräftig und setzt Fehlanreize“. Trotzdem wolle das Ministerium bisher nichts daran ändern.

Ziel müssten bessere Effizienz und schärfere Kontrollen sein, fordert der Rechnungshof. Dafür sei die Regierung verantwortlich. Es gebe dringenden Handlungsbedarf, so das Fazit des 20-seitigen Sonderberichts. Das bisherige Vorgehen des Verkehrsministeriums sei „wenig ambitioniert und riskant“, kritisiert Scheller.

Derzeit laufen Verhandlungen über weitere Milliardenzuschüsse

Der Rechnungshof schlägt Alarm, weil aktuell das Ministerium mit der Deutschen Bahn AG und ihren Infrastruktur-Töchtern DB Netz AG, DB Station & Service AG sowie DB Energie AG über die weiteren Milliardenzuschüsse für das teils marode und überalterte Schienennetz verhandelt. Demnach sollen zwischen 2020 und 2024 weitere bis zu 25 Milliarden Euro zum Erhalt der bundeseigenen Infrastruktur an den größten Staatskonzern fließen.

Das Ministerium plane, den Vertragsentwurf erst in der zweiten Jahreshälfte 2019 und kurz vor dem Abschluss mit dem Konzern dem Bundestag zur Billigung vorzulegen, kritisiert Scheller. „Wir denken, das Parlament sollte frühzeitig informiert werden.“ Noch bestehe die Chance für Korrekturen, dafür könne man auch die bisherige Vereinbarung noch etwas länger laufen lassen. Wichtig sei, dass „man nicht noch weitere fünf Jahre mit einem System fährt, das nicht hält, was es verspricht“. Dafür sei die Bahn für Bürger und Wirtschaft zu wichtig.

Der DB-Konzern ist schon bisher der größte Empfänger von Bundeszuschüssen, wie die Prüfer betonen. Mit der Bahnreform 1994 wurde die frühere Bundesbahn in eine AG umgewandelt und die Finanzierung des Schienenverkehrs neu geregelt. Basis für die Zuschüsse zum Erhalt des bundeseigenen Netzes ist die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV). Allein seit 2009 flossen dafür 30 Milliarden Euro Steuergeld aus dem Bundesetat an den Konzern, so die Prüfer. Für 2019 seien weitere 4,2 Milliarden Euro eingeplant.

Mindestens 1000 Brücken sollten binnen fünf Jahren erneuert werden

Trotz der immer höheren Milliardenzuschüsse sei aber das Ziel verfehlt worden, den Investitionsstau abzubauen, der durch die lange Vernachlässigung und Unterfinanzierung der Infrastruktur entstanden sei. Als Beispiel nennt Scheller die 25 000 Eisenbahnbrücken, von denen sich viele dem Ende ihrer Nutzungsdauer von im Schnitt 122 Jahren nähern. Mindestens 1000 Bauwerke sollten daher binnen fünf Jahren erneuert werden. Die LuFV II (2015-2019) schreibt die Sanierung von 875 Brücken vor. Davon habe die DB aber erst 363 erledigt. Das zeige, dass das LuFV-System nicht halte, was es verspreche.

Der Rechnungshof rügt zum wiederholten Male auch die massiven Kontrollmängel des Systems, die seit Jahren nicht behoben würden. So fehle ein aussagekräftiges Meldesystem über den tatsächlichen Zustand des 33 000 km langen Gleisnetzes, der 5600 Bahnhöfe, der Tunnel, Brücken, Stellwerke, Oberleitungen und Weichen. Das derzeitige Kennzahlensystem der DB signalisiere Verbesserungen, während in der Realität der Investitionsstau wachse.

Das LuFV-System leide zudem an einer teuren Fehlkonstruktion, so die Prüfer. Denn Reparaturen müsse die Bahn selbst zahlen, den Ersatz von Anlagen aber der Bund. Diese Trennung schaffe den falschen Anreiz für den Aktienkonzern, auf Verschleiß zu fahren und bei der Instandhaltung zu sparen. Als Folge davon müssen Anlagen schneller auf Kosten der Steuerzahler ersetzt werden und die Bahn kann das eingesparte Geld für andere Zwecke verwenden.

Bahn und Bund sollen sich die Kosten für Reparaturen teilen

Der Rechnungshof schlägt daher vorher, dass Bund und Bahn sich die Kosten für Reparaturen und Ersatz künftig teilen. Dann bekämen die Regierung und ihre Kontrolleure auch mehr Einblick in diesen sensiblen Bereich. Bisher fielen „nur vereinzelt Lichtkegel ins Dunkel“, denn der Konzern sei der Herr der Zahlen und Kennziffern. Die Kontrolleure schließen auch zweckwidrige Verwendungen der Bestandsmittel nicht aus, zum Beispiel beim vermutlich bis zu zehn Milliarden teuren Neubauprojekt Stuttgart 21. Das Geld fehlt dann für Erneuerungen andernorts.

Die Prüfer hoffen, dass ihr Sonderbericht mehr Öffentlichkeit für die Fehlsteuerungen und Geldverschwendung schafft und der Druck aus dem Parlament auf die Bundesregierung wächst, eine Kurskorrektur einzuleiten. Auch die mögliche Herausnahme der Infrastruktur aus dem Konzern, die Experten und Oppositionsparteien fordern, wird aktuell vom Rechnungshof unter die Lupe genommen. Scheller kündigte auf Nachfrage unserer Redaktion einen Bericht dazu für Anfang 2019 an.