Weinstadt/Waiblingen - Wer den rechten Arm hebt, schräg nach oben hält und „Heil Hitler“ ruft, muss sich in Deutschland wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ verantworten. Schon 1972 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch hörbare Symbole oder Gesten unter diesen Paragrafen fallen können.
Jetzt stand ein 45-jähriger Mann aus Weinstadt in Waiblingen vor Gericht, weil er in eindeutiger Weise den Arm gehoben haben soll. Laut Anklage war er an einem Sonntagabend in der damals neuen Lounge-Bar zu Gast. Der Mann gab jedoch an, er könne sich kaum noch an etwas erinnern. Er habe nach einem Spiel des VfB an jenem Abend mit seinem Bruder und seinem Vater „zehn bis 15 Halbe“ getrunken und sei dann weitergezogen. Tatsächlich hatte die Polizei ihn etwa eine Stunde nach dem Vorfall ins Röhrchen blasen lassen – der gemessene Wert entsprach einem Blutalkoholgehalt von 2,3 Promille.
Wirt schildert, wie die Situation eskaliert
Umso detaillierter fiel die Schilderung des Wirts aus, der den Angeklagten bedient hatte. Er könne sich gut erinnern, sagte der 27-jährige Zeuge – auch weil der 45-jährige Angeklagte mit einem Freund dagewesen sei, der schon öfter zu Gast bei ihm war. Als dieser Bekannte zwei Hefeweizen bestellte, missfiel das dem Angeklagten. Er hätte lieber „Jacky Cola“ geordert. Er sei laut geworden, habe auf den Tresen gehauen und sei schließlich aufgestanden, um zu salutieren – auf eine unmissverständliche Weise: „Er hob den rechten Arm im 45-Grad-Winkel“, schilderte der Wirt die Situation. „Daraufhin hab ich ihn runtergedrückt und gesagt, hör bitte auf.“ Doch der Angeklagte habe das Ganze mindestens vier Mal wiederholt. Andere Gäste hätten daraufhin schon „schräg geguckt“. Deshalb versuchte der Wirt, die beiden so schnell wie möglich aus seiner Bar hinaus zu komplimentieren – indem er die Getränke aufs Haus gehen ließ und sie zum Ausgang eskortierte.
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Die Situation eskalierte trotzdem. „Sie fingen an, uns zu beleidigen“, berichtete der Wirt. Eine der Drohungen lautete demnach: „Ihr werdet schon noch sehen, was wir mit euch machen.“ Sein Bruder habe ihm später vorgeworfen, dass er die beiden Betrunkenen überhaupt in die Bar gelassen habe. Je länger der 27-Jährige im Zeugenstand berichtete, desto aufgebrachter wurde er. „Wenn ich noch was sagen darf: Diese beiden haben bei mir jetzt Hausverbot!“
Aussagen widersprechen sich
Um die Aussagen zu überprüfen, ließ der Verteidiger des Angeklagten den Wirt sogar eine Skizze des Gastraums anfertigen. Aufgrund des Abstands und der lauten Musik könne die Tat seines Mandanten von anderen Gästen nicht bemerkt worden sein. Er zog die Aussagen des Wirts in Zweifel: Er sehe „erhebliche Widersprüche“ und sprach sogar von einer Belastungstendenz der Aussage. Tatsächlich sagte der zweite Zeuge, ein 20-jähriger Bar-Mitarbeiter, er habe zwar den Gruß gesehen. Aber er habe nicht hören können, was der Angeklagte gesagt habe.
Vereinbart wurde deshalb zunächst ein Fortsetzungstermin. Auf Wunsch des Verteidigers sollten weitere Zeugen gehört werden. Allerdings hat sich der Angeklagte in der Zwischenzeit offenbar anders entschieden: Er akzeptiert jetzt den Strafbefehl, gegen den er im Januar Einspruch erhoben hatte – weshalb es zu der Verhandlung kam. Er muss jetzt 40 Tagessätze zu 30 Euro zahlen, also 1200 Euro.
Ein Grund für sein Einlenken könnte ein Urteil sein, das vor Kurzem in München gesprochen wurde. Dort galt bisher die Faustregel, dass Delikte wie die Tat des Weinstädters mit einer Geldstrafe in Höhe von etwa einem Monatsgehalt geahndet werden. Aber mit einer Entscheidung, die Anfang Mai rechtskräftig wurde, zeichnet sich ein neuer Umgang ab: Es wurden jetzt erstmals 70 Tagessätze als Strafe verhängt.