44 Opfer und ein Schaden von 1,3 Millionen Euro: Über Jahre hinweg hat ein Schuldnerberater seine Kunden betrogen und deren Geld in die eigene Tasche gesteckt. Dafür wurde er nun verurteilt – obwohl er noch viel mehr Taten begangen haben könnte.

Bönnigheim - Seufzer der Erleichterung sind im Sitzungssaal des Heilbronner Landgerichts zu hören, als der Richter Roland Kleinschroth sein Urteil verkündet: Fast fünf Jahre muss ein 61-Jähriger ins Gefängnis, weil er als selbstständiger Schuldnerberater über Jahre hinweg das Geld seiner Mandanten veruntreut und so einen Schaden von mindestens 1,3 Millionen Euro angerichtet hat.

 

Viele Opfer kommen als Zuschauer ins Gericht

Unter denen, die am Mittwoch nach Heilbronn gekommen sind, um das Urteil live mitzuerleben, sind mehrere ehemalige Kunden des Angeklagten. Sie kommen aus Bönnigheim, Lauffen am Neckar, oder, wie der Angeklagte, aus Brackenheim (Kreis Heilbronn). Ihnen verschafft das Urteil hörbar Genugtuung. Manche haben dem früheren Filialleiter einer Bank ein paar Tausend Euro geliehen, andere vertrauten ihm bis zu 200 000 Euro an. Sie alle sehen ihr Geld wohl nicht wieder – auch wenn das Landgericht neben der Haftstrafe in seinem Urteil verfügte, dass die Schadenssumme bei dem 61-Jährigen eingezogen werden soll. Doch der hat nach eigenen Angaben keinen Cent mehr. „Für uns bleibt die Frage offen, wo das Geld ist“, sagte der Richter Kleinschroth.

80 Fälle des gewerbsmäßigen Betrugs führte er in seinem Urteil auf und hält deshalb eine Haftstrafe von 4 Jahren und neun Monaten für angemessen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine nur unwesentlich höhere Strafe verlangt, die Verteidigung keine konkrete Forderung gestellt. Bereits beim Prozessauftakt vor zwei Wochen hatte der gelernte Bankkaufmann gestanden.

Das Geld ist bis heute verschwunden

Besonders dramatisch an dem Fall ist, dass der Angeklagte vor allem Menschen aus seinem persönlichen Umfeld betrogen hat: Familienmitglieder, Bekannte, vor allem aber Freunde aus mehreren Vereinen, in denen er teils als Vorstand aktiv war. „Sie haben ihr Leben in einen Scherbenhaufen verwandelt“, sagte Kleinschroth.

Die Geschäfte liefen dabei meist nach einem ähnlichen Muster ab: Zunächst bekam der Angeklagte von Kunden die Bitte, sich um die Schulden des Haushalts zu kümmern. Dafür war weiteres Geld nötig, das sich der selbst ernannte Entschuldungsberater aber nicht im Namen der Kunden bei der Bank holte, sondern bei seinen Bekannten und Freunden, versehen mit dem Hinweis auf eine gut verzinste, baldige Rückzahlung. Doch das Geld kam nicht zurück – bis auf rund 170 000 Euro, die der Angeklagte als Wiedergutmachung geleistet hat. „Skrupellos“ habe der Mann das Vertrauen seines Umfelds ausgenutzt, da ist sich das Landgericht sicher.

Der tatsächliche Schaden dürfte noch deutlich höher liegen. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Richter Kleinschroth. Weil sich viele Opfer nicht gemeldet hätten und Taten, die vor mehr als fünf Jahren begangen wurden, verjährt sind, wurde die Anklage auf 80 Fälle beschränkt.

Auf der Flucht im Auto übernachtet

Aufgeflogen war der 61-Jährige, als er im April untertauchte und für seine Gläubiger nicht mehr zu erreichen war. Seinem Schwager hatte er zuvor von den Betrügereien erzählt. Auf der Flucht schlief der Ex-Bankchef in seinem Auto. Um an etwas Geld zu kommen sammelte er Pfandflaschen und schloss Sportwetten ab. „Sie haben den Kopf in den Sand gesteckt und hatten nicht den Mut, freiwillig zu ihren Fehlern zu stehen“, so das Gericht. Anfang Juli wurde der Brackenheimer in Mannheim festgenommen, seither war er in Untersuchungshaft. Noch am Mittwoch akzeptierte er das Urteil. Es ist damit rechtskräftig.