Für eine gefährliche Körperverletzung muss sich ein gerade mal 19-Jähriger vor der 3. Großen Jugendstrafkammer des Landgerichts verantworten.

Stuttgart - Für Mitte September ist es ein außergewöhnlich warmer Tag gewesen, der das Leben eines 38 Jahre alten Stuttgarters in ein „Davor“ und „Danach“ zerteilte. Davor saß der 38-Jährige an jenem Sonntag vergangenen Jahres mit einem guten Freund mitten in der Stadt draußen, man aß etwas, plauderte und tanzte. Danach gibt es erst wieder das Bild in seinem Kopf von einer Notaufnahme, wo Ärzte eine Schädelfraktur, ein Schädel-Hirn-Trauma sowie zahlreiche Hämatome diagnostizierten.

 

„Ich hatte starke Kopfschmerzen und Schwindel, alles kam mir verschwommen und surreal vor“, schildert das Opfer mit leiser Stimme in dem kleinen Gerichtssaal, begleitet von einer Betreuerin und durch eine Justizbeamtin etwas abgeschirmt vom Angeklagten. Zwei Wochen lang wurde der Mann in der Klinik behandelt, unter anderem, weil eine halbseitige Lähmung des Gesichts auftrat. Nach drei Wochen Reha folgte eine langsame Wiedereingliederung in das Berufsleben.

Nach Reue klingt das Geständnis nicht

Zerknirscht oder gar reuig klingt es nicht, als der Angeklagte den von der Staatsanwaltschaft ermittelten Tathergang im Wesentlichen einräumt. „Wie die Rangelei angefangen hat, weiß ich nicht mehr, aber ja, ich habe mehrmals mit den Fäusten in sein Gesicht geschlagen, und als er zu Boden ging, habe ich ihn mindestens einmal getreten, ich weiß nicht mehr, wo ich gekickt habe“, lässt der in Schwäbisch Hall geborene junge Mann die Prozessbeteiligten wissen. Mit ein paar Kumpels hatte er mit Alkohol und Drogen seine Entlassung aus der Haft zwei Wochen zuvor gefeiert. Über die Kumpels und ihre mögliche Beteiligung an der Tat verliert er kein Wort.

Zwei Zeugen können die vermeintlichen Erinnerungslücken mühelos füllen. „Wir waren auf dem Nachhauseweg, kamen dabei mit dem 38-Jährigen ins Gespräch und gingen gemeinsam weiter, als wir die Gruppe auf uns zukommen sahen. Der Angeklagte, als einziger blond, fragte nach Zigaretten“, erzählt ein 22 Jahre alter Einzelhandelskaufmann den Prozessbeteiligten. Alle drei Männer verneinten, daraufhin rempelte der Angeklagte den ein Jahr älteren Freund des 22-Jährigen an. „Ich habe mich entschuldigt, weil ich die Aggression schon merkte“, sagte der 23-jährige BWL-Student. Es folgte ein weiterer Rempler.

Ein dreiviertel Jahr danach geht es dem Opfer nicht gut

Als der 38-Jährige daraufhin versuchte, den ‚Blonden‘ verbal zu beschwichtigen, ging alles ganz schnell: „Der pöbelte ihn an und schon flogen die Fäuste“, erinnern sich die beiden jungen Männer und auch daran, wie der 38-Jährige plötzlich „wie ein Dominostein umfiel und mit dem Kopf ungebremst auf den Asphalt des Bürgersteigs knallte.“ Es folgte noch mindestens ein Fußtritt und ein Spucken auf den am Boden bewusstlos Liegenden, als die Freunde dazwischen gingen und den Verletzten, der aus dem Ohr blutete, in eine stabile Seitenlage brachten.

Ein dreiviertel Jahr nach dem schrecklichen Ereignis geht es dem Opfer noch immer nicht gut. „Abends gehe ich nicht mehr raus, bin emotional empfindsamer, finde manchmal nicht mehr das richtige Wort und habe Probleme bei der Konzentration.“ Er sei unsicherer geworden, räumt der schlanke Mann mit den langen Haaren ein, und fügt leise hinzu: „Es wäre wohl besser gewesen, in therapeutische Behandlung zu gehen.“

19-Jähriger stand schon sechs Mal vor Gericht

Trotz seines jungen Alters stand der Angeklagte bereits sechs Mal vor Gericht, im zurückliegenden Urteil attestierte die Richterin dem jungen Mann eine erhebliche kriminelle Energie und den Unwillen, ein straffreies Leben zu führen. Das wollte der Angeklagte, der fern von seiner drogenabhängigen Mutter ab dem 9. Lebensjahr in einem Heim aufwuchs, so nicht stehen lassen. Das Marihuana mache ihn motivationslos und faul. Eine Drogentherapie wäre wohl das Richtige; ein Aggressionsproblem, nein, das habe er nicht.

Der Prozess wird mit der Anhörung weiterer Zeugen am Donnerstag fortgesetzt.