Er griff ein ins Geschehen, um zu helfen. Nun ist sein Schicksal traurige Gewissheit: Der 29-jährige Polizist, der beim Mannheimer Messerangriff attackiert wurde, ist tot.

Der Polizist, der bei dem Messerangriff auf dem Mannheimer Marktplatz attackiert worden war, ist an seinen Verletzungen gestorben. Das teilten die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, das Polizeipräsidium Mannheim und das Landeskriminalamt am Sonntagabend mit. Der Angreifer habe dem 29 Jahre alten Beamten mehrmals in den Kopfbereich gestochen.

 

„Er wurde unmittelbar nach der Tat notoperiert und in ein künstliches Koma versetzt, erlag aber in den späten Nachmittagsstunden des 2. Juni seinen schweren Verletzungen“, teilten die Behörden mit. „Wir trauern um einen Polizeibeamten, der für unsere Sicherheit sein Leben gegeben hat.“

Motiv weiter unklar

Das Motiv des 25-jährigen Täters ist indes noch immer unklar. Bisher war der Mann, der in Afghanistan geboren wurde, aber 2014 als Jugendlicher nach Deutschland kam, nicht vernehmungsfähig - er war in den Minuten nach der Attacke ebenfalls verletzt worden. Bisher war er polizeilich nicht in Erscheinung getreten, er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt im hessischen Heppenheim.

Bei dem Angriff hatte der Mann am Freitagvormittag auf dem Marktplatz in der Innenstadt bei der Veranstaltung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) sechs Männer verletzt, darunter den Polizisten. Zu den Verletzten zählt auch das BPE-Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger.

Kretschmann erschüttert

„Die Nachricht erschüttert mich bis ins Mark“, teilte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Abend mit. Die Gedanken seien bei der Familie, den Angehörigen und den Kolleginnen und Kollegen, so der Grünen-Politiker. „Uns allen führt diese fürchterliche Tat schmerzhaft vor Augen, welchem oft unkalkulierbaren Risiko Polizeibeamte tagtäglich ausgesetzt sind.“ Der Dienst von Polizistinnen und Polizisten für den Staat, das Gemeinwesen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung sei nicht hoch genug zu würdigen. „Wir sind Ihnen als Gesellschaft zu höchstem Respekt und Wertschätzung verpflichtet.“

„Dies sind Momente, in denen die Welt stillzustehen scheint“, erklärte Innenminister Thomas Strobl (CDU). „Die gesamte Polizei Baden-Württemberg wird ihm stets und für immer ein ehrendes Andenken bewahren.“ Der Polizist sei Opfer eines brutalen, bestialischen Angriffs geworden. „Er ließ sein Leben, weil er dafür eingestanden ist, andere Menschen zu schützen.“

„Dieser junge Polizist hatte sein ganzes Leben noch vor sich“, sagte CDU-Landeschef Manuel Hagel. „Nichts kann diesen schmerzlichen Verlust wohl jemals heilen.“ Das ganze Land sei dem jungen Beamten für seinen Heldenmut zu tiefem Dank verpflichtet.

Scholz bestürzt

Auch zahlreiche Bundespolitiker zeigten sich erschüttert über den Tod des jungen Mannes. Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich auf X „zutiefst“ bestürzt. „Sein Einsatz für die Sicherheit von uns allen verdient allerhöchste Anerkennung. Ich bin in diesen bitteren Stunden in Gedanken bei seiner Familie und bei allen, die um ihn trauern“, schrieb der SPD-Politiker.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte, der Tod des Polizisten mache sie „unendlich traurig“. „Er war mutig eingeschritten, um Leben zu retten. Er ist im Dienst für unsere Sicherheit gestorben“, betonte die SPD-Politikerin. CDU-Chef Friedrich Merz schrieb auf X: „Aus dem Messerangriff am Freitag ist heute heimtückischer Mord geworden. Meine Gedanken sind bei der Familie. Es ist einfach furchtbar.“ Auch FDP-Chef Christian Lindner, Außenministern Annalena Baerbock, der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour und zahlreiche andere Politiker reagierten schockiert auf den Tod des Polizisten.

Polizeigewerkschaft wütend

Die Deutsche Polizeigewerkschaft reagierte betroffen, aber auch wütend. „Die Gewalt, die uns täglich begegnet, ist schonungslos brutal, menschenverachtend und oft tödlich“, sagte Landeschef Ralf Kusterer. Die Kampagnen gegen Hass und Hetze würden oft nicht einmal im Ansatz die Probleme treffen, die Polizistinnen und Polizisten täglich ertragen müssten. „Mit Diskussionen um Demokratie und Meinungsfreiheit erreicht man weder schuld- und deliktsunfähige Täter noch religiöse Fanatiker, deren Gedankenwelt uns völlig fremd und absurd erscheint.“

Angesichts der Messerattacke hatte ein überparteiliches Bündnis für Sonntagnachmittag zu einer Mahnwache gegen Gewalt und Hass in Mannheim aufgerufen. Auf dem Marktplatz fand zeitgleich eine Kundgebung der Jungen Alternative statt. Die Versammlung der Jugendorganisation der AfD lief unter dem Motto „Remigration hätte diese Tat verhindert!“. Auf Videos im Internet ist zu sehen, wie Demonstranten in der Innenstadt eine lange Menschenkette bilden - und wie die Polizei mit einer Gruppe von Antifa-Aktivisten zusammenprallt. Die schwenkten rote Fahnen und zündeten Bengalos. Auf dem Marktplatz wurde der Slogan „Nazis raus“ skandiert.

OB Specht mit Appell

Mannheims Oberbürgermeister Specht erklärte, der Tod des Polizisten zeige, was Hass und Hetze anrichten können. Specht wandte sich aber auch mit einem Appell an Bürgerinnen und Bürger: „Ich bitte Sie alle: Lassen Sie uns angesichts der tragischen Entwicklung innehalten und gemeinsam daran arbeiten, unsere Stadtgesellschaft in all ihrer Vielfalt zu einen und jegliche Spaltung zu vermeiden!“

War Attacke gegen Stürzenberger gezielt?

Nach Darstellung von BPE-Schatzmeisterin Stefanie Kizina ist die Attacke gezielt gegen den 59-jährigen Münchner Stürzenberger gerichtet gewesen. Er ist schon seit Jahren als Islamkritiker aktiv und wird vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. Stürzenberger gab inzwischen einem rechtskonservativen Medium ein Video-Interview vom Krankenbett aus - er war unter anderem im Gesicht und am Oberschenkel mit Stichen verletzt worden. Polizisten hätten die Erstversorgung übernommen, sagte er. Der „Bild“ sagte Stürzenberger, der Angriff sei ein „absoluter Albtraum“ gewesen, der Angriff sei urplötzlich gekommen.

Auch nach der Messerattacke in Mannheim will die BPE bei weiteren Veranstaltungen öffentlich auftreten. Kizina geht davon aus, dass die Polizei „die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen wird“.

Scholz kündigt hartes Vorgehen an

Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte mit Blick auf die Messerattacke und einen Übergriff auf den CDU-Politiker Roderich Kiesewetter ein hartes Vorgehen gegen Gewalt an. „Ob das Gewalt ist gegen sich links oder in der Mitte oder rechts engagierende demokratische Politikerinnen und Politiker - sie ist immer nicht akzeptabel und sie wird von uns nicht hingenommen werden“, betonte der SPD-Politiker am Sonntag beim ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow in Brandenburg. „Wir werden gegen alle vorgehen, die mit Gewalt den demokratischen Raum einzuschränken versuchen“, kündigte er an. Das gelte unabhängig davon, ob es ein linksextremistisches, ein rechtsextremistisches oder ein islamistisches Motiv gebe.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Landesinnenminister Strobl mahnten zudem ein hartes Vorgehen gegen Menschen an, die den Angriff des Täters im Netz verherrlichen. „Den mörderischen Messerangriff zu verherrlichen, ist widerwärtig und menschenverachtend. Wer das tut, muss mit aller Härte des Strafrechts verfolgt werden. Unsere Sicherheitsbehörden gehen dem konsequent nach“, sagte Faeser der „Bild am Sonntag“. Strobl sagte der Zeitung: „Bei uns werden Verbrechen – ganz besonders Mordstraftaten – mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft und nicht gefeiert.“