Kann man die Welt mit Kunst verändern? Die humanistische Fotografie von Jean-Michel Landon hat hehre Ziele. Das könnte den Franzosen schon bald zum Star machen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Spontan denkt man: Diesen Kerlen will man lieber nicht im Dunkeln begegnen. Schließlich erfüllen sie alle Kriterien, die die Alarmglocken schrillen lassen. Sonnenbrille, Baseballkappe, Kippe und eine Machopose, die nichts Freundliches signalisieren will.

 

Aber was steckt noch hinter der rauen Schale? Eine Frage, die die Fotografien von Jean-Michel Landon ganz automatisch aufrufen. Wenn er Menschen – vor allem Männer – fotografiert, vor denen unsere Eltern uns immer gewarnt haben, kommt man kaum daran vorbei, über das eigene Unbehagen nachzudenken, das einen hier reflexhaft befällt.

Man wird sicher noch viel hören von dem französischen Fotografen

Dokumentarfotografie will häufig auf Missstände aufmerksam machen – Jean-Michel Landons Aufnahmen gehen dagegen weiter. Er steht in der Tradition der humanistischen Fotografie, die nicht nur etwas abbilden, sondern beim Betrachter Empathie wecken will. Dass das Jean-Michel Landon auf bemerkenswerte Weise gelingt, merkt man sofort, wenn man nun durch seine Ausstellung im Mannheimer Zephyr läuft. Stephanie Herrmann, Kuratorin am Reiss-Engelhorn-Museum, ist eher zufällig auf die Fotografien des Franzosen gestoßen und stellt ihn nun zum ersten Mal in Deutschland vor. Und man kann sicher sein, dass das nicht die letzte Ausstellung Landons sein wird.

Harte Kerle planschen im Babybecken

Er ist selbst zwischen der Tristesse und Hoffnungslosigkeit der Wohnblöcke aufgewachsen, die in Frankreich einen Namen haben: Banlieue. Jean-Michel Landon kommt aus Créteil, einer dieser Gettos am Rande von Paris, und begann eines Tages, die Menschen aus seinem Umfeld zu fotografieren – und zwar so, dass die Realität zwar nicht geschönt wird, aber auch Mitgefühl für das Gegenüber mitschwingt. Kinder hüpfen von Poller zu Poller, junge Männer haben zwischen den Hochhäusern Planschbecken aufgestellt, in denen sie liegen wie Millionäre in ihren Pools. Auch sie haben Sehnsüchte und Träume.

Irgendwann entspricht man dem, was die anderen in einem sehen

Jean-Michel Landon ist Sozialarbeiter geworden, aber auch seine Fotografie ist eine Art soziale Arbeit, weil sie gelingendes Miteinander fördern will, indem er die Betrachter hinein holt in diese Welt der kaputten Aufzüge und dealenden Jungs, die nicht aus sich heraus zu denen wurden, die sie sind, sondern von den Umständen geprägt wurden. „Sie werden von Geburt an als jemand stigmatisiert, der sie gar nicht sind, bis sie letztendlich dieser Rolle entsprechen“, wird Medhi M. in der Ausstellung zitiert.

Landons Fotoreportage „La vie des blocs“ wird das Leben in den Wohntürmen sicher nicht verändern, aber diese Schwarz-Weiß-Bilder von Kindern mit abgenagten Nägeln und hoffnungsvollen Blicken oder die beiden kleinen Jungen, die stolz hinterm Steuer sitzen wie die Großen, appellieren daran, künftig vielleicht kurz innezuhalten, bevor man sein Gegenüber abstempelt und kategorisiert – und die Spaltung der Gesellschaft noch weiter befördert.

Jean-Michel Landon: La vie des blocs. Ausstellung, bis 4. Februar, Museum Bassermannhaus für Musik und Kunst, Zephyr – Raum für Fotografie, Mannheim. Geöffnet Di bis So 11 bis 18 Uhr