Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Wirklich oder erfunden - egal, es funktioniert, die biografischen Miniaturen sind voller funkelnd böser Blicke auf Leben und Kunst. Europa, die Welt, ist Kampf- und Schlachtfeld, immer schon gewesen. Auch ohne Hinweise auf die aktuelle Flüchtlingssituation in Deutschland spricht Frljic davon: wie brüchig Identitäten sind, wie vorläufig jegliches Ankommen in scheinbarer Sicherheit ist, egal, ob man vor dem IS aus Syrien nach Europa flieht oder vor dem ultrarechten Mob aus Europa nach Europa. Am Ende richtet sich ein Lichtkegel auf Symbole politischer Ideologien: ein Brocken der Berliner Mauer für den DDR-Sozialismus, eine Cola-Flasche für den Kapitalismus, ein auf den Boden gespraytes U als Zeichen für die Anhänger des kroatischen Faschismus, die Ustasa. Menschen? Packen ihre Koffer und gehen. Kein Heil, kein Trost, keine Botschaft. Aber ein starker Schluss eines Festivals. Es zeigt, Theater hat keine Wahrheiten parat, aber Unmengen von Fragen, die sich heute in den USA, in Syrien, Südafrika, Polen, Kroatien, Deutschland stellen. Wovon wiederum die Kunst profitiert. Und immerhin eine Antwort gibt: auf die Frage nämlich, weshalb 18 000 Zuschauer in neun Tagen alle Vorstellungen besuchten und den Theatermachern eine Erfolgsquote von 97 Prozent bescherten.

 

Die Uraufführungen gehen ins Repertoire: Alle Vorstellungen von „Das Heuvolk“ sind ausverkauft. Für die Vorstellungen von „Second Exile“ in dieser Spielzeit gibt es noch Karten: 1., 6., 7., 13., 15. Juli. Kartentelefon: 0621 1680 150

www.nationaltheater-mannheim.de

Die biografischen Erzählungen erinnern an öffentliche Beichten, wie sie beispielsweise an Marienfesten in katholischen Kirchen Osteuropas vor großem Publikum praktiziert werden. Schuld wird verhandelt, um den Opferstatus gerungen. Die Schauspielerin Anne-Marie Lux berichtet von Kindesmissbrauch, Alkoholismus, Depression. Boris Koneczny, Fabian Raabe, Hannah Müller geraten in Wut über Rollenklischees, über Heuchelei im Theaterbetrieb – zur Zeit der Wende in Ostdeutschland oder heute, wo man als Schauspieler ohne ganz eigene Katastrophengeschichte fürchtet, zu einer unerwünschten Minderheit zu werden. Jacques Malan gibt eine eindrückliche Geschichtslektion, die sich von den religiöser Verfolgung der Hugenotten bis zur Apartheid in Südafrika erstreckt.

Die biografischen Miniaturen sind voller funkelnd böser Blicke auf Leben und Kunst

Wirklich oder erfunden - egal, es funktioniert, die biografischen Miniaturen sind voller funkelnd böser Blicke auf Leben und Kunst. Europa, die Welt, ist Kampf- und Schlachtfeld, immer schon gewesen. Auch ohne Hinweise auf die aktuelle Flüchtlingssituation in Deutschland spricht Frljic davon: wie brüchig Identitäten sind, wie vorläufig jegliches Ankommen in scheinbarer Sicherheit ist, egal, ob man vor dem IS aus Syrien nach Europa flieht oder vor dem ultrarechten Mob aus Europa nach Europa. Am Ende richtet sich ein Lichtkegel auf Symbole politischer Ideologien: ein Brocken der Berliner Mauer für den DDR-Sozialismus, eine Cola-Flasche für den Kapitalismus, ein auf den Boden gespraytes U als Zeichen für die Anhänger des kroatischen Faschismus, die Ustasa. Menschen? Packen ihre Koffer und gehen. Kein Heil, kein Trost, keine Botschaft. Aber ein starker Schluss eines Festivals. Es zeigt, Theater hat keine Wahrheiten parat, aber Unmengen von Fragen, die sich heute in den USA, in Syrien, Südafrika, Polen, Kroatien, Deutschland stellen. Wovon wiederum die Kunst profitiert. Und immerhin eine Antwort gibt: auf die Frage nämlich, weshalb 18 000 Zuschauer in neun Tagen alle Vorstellungen besuchten und den Theatermachern eine Erfolgsquote von 97 Prozent bescherten.

Die Uraufführungen gehen ins Repertoire: Alle Vorstellungen von „Das Heuvolk“ sind ausverkauft. Für die Vorstellungen von „Second Exile“ in dieser Spielzeit gibt es noch Karten: 1., 6., 7., 13., 15. Juli. Kartentelefon: 0621 1680 150

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