Die Kunst der Freiheit: Der 79-jährige Kameruner Manu Dibango hat beim Sommerfest der Kulturen auf dem Stuttgarter Marktplatz die Zuhörer mit Soul, Funk und seinem Auftritt begeistert.

Stuttgart - In seiner Autobiografie schreibt Manu Dibango, dass ein Teil seiner Geschichte einst verloren gegangen sei, „jener Teil, den jeder Mann irgendwann in einem Prozess wiederfinden sollte, der manchmal Freiheit oder Kunst genannt wird“. Von dem Moment an, in dem der Saxofonist aus Kamerun die Bühne auf dem gerammelt vollen Stuttgarter Marktplatz betritt, versteht man nicht nur, was er meint, sondern man spürt es: Freiheit und Kunst sind für den 79-Jährigen ein und dasselbe.

 

Beim Sommerfestival der Kulturen hat Manu Dibango mit seiner Soul Makossa Gang einen sensationell inspirierten Auftritt hingelegt, bei dem die Kunst aus der Freiheit geboren wurde und umgekehrt. Ganz unaufdringlich hat Dibango gezeigt, zu welch gehaltvollen und gleichzeitig überaus unterhaltsamen Erzählungen ein meisterhaft gespieltes Saxofon fähig ist: Dibango ist ein Großmeister des Sich-Anschleichens, ein feuriger Oberton-Herauskitzler und zugleich ein eleganter Teamplayer. Sein Spiel klingt mal messerscharf, mal leicht federnd, dann grollend, während er seinem Instrument Schnörkel zu Engelsgesang entlockt oder es erst lasziv verweilen lässt, um hinterher umso entschlossener in den Hexenkessel einzutauchen, den es selbst entfacht. Und zwischendurch tupft sich dieser coole Virtuose den Schweiß vom kahlen Kopf.

Ein ganz starker Abend

Seine Band spielt Funk dazu und Jazz, der flugs zum Jazzrock wird, sie steuert soulige Wendungen bei, streut eine Prise Reggae drüber und verlustiert sich in der komplexen Polyrhythmik Westafrikas. Beglückend wird dieser Stilmix dadurch, dass er vollkommen organisch zustande kommt: Vom Künstlich-Verrenkten hat sich Manu Dibango während seines erfüllten Musikerlebens längst verabschiedet.

Als er den Job erledigt hat, der ihm offensichtlich himmlische Freude bereitet, folgt er seinen Musikern hinter die Bühne. Sie sind jetzt still. Aber Manu Dibango bläst auch beim Abmarsch noch in sein Saxofon. Ganz allein entfalten seine Klangwanderungen eine schöne Verspieltheit. Und dann kommt er wieder und spielt mit seiner Band das Lied, das ihm einst die Welt geöffnet hat: „Soul Makossa“ klingt dann so frisch wie 1972, aber weiser als damals.

Von derart virtuoser Überwindung scheinbarer Widersprüche ist das russische Frauenquartett Iva Nova noch ein paar Jahre entfernt. Aber die Vorband des Abends befindet sich auf einem guten Weg: Mit Schlagzeug, Bass, Akkordeon, einem kleinen Elekronikkästchen und einer formidablen Sängerin gebiert sie Euphorie aus Melancholie. Ein ganz starker Abend.