Der EnBW-Deal von Stefan Mappus ist nur unzureichend aufgearbeitet. Trotzdem muss die Landesregierung nun sehen, wie sie mit der "Erblast" umgeht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Eigentlich, meinte ein kluger Beobachter kurz vor der Landtagswahl, könne Stefan Mappus nur auf seine Abwahl hoffen. Dann müsse er nicht mehr ausbaden, was er mit dem Kauf der EnBW-Aktien angerichtet habe. Das im Alleingang durchgezogene Milliardengeschäft, mit dem sich der einstige CDU-Ministerpräsident als zupackender Industriepolitiker profilieren wollte, dürfte seinen Teil zum Machtverlust beigetragen haben.

 

Nun muss die neue grün-rote Regierung sehen, wie sie mit der "Erblast" EnBW umgeht - eine Herausforderung, deren Dimension noch gar nicht voll erfasst ist. Es dürfte eine der schwierigsten Daueraufgaben dieser Legislaturperiode werden, den einstigen Atomkonzern ins neue Energiezeitalter zu steuern, ohne dass Arbeitnehmer und Aktionäre allzu große Opfer bringen müssen.

Nicht Mappus, sondern Grüne und Rote werden eines Tages daran gemessen, ob das gelungen ist. Umso wichtiger wäre es, die Verantwortung für die Probleme klar herauszustellen. Kann es wirklich sein, dass ein Ministerpräsident per geheimer Kommandoaktion mal eben über ein Siebtel des Landeshaushalts verfügt? Dass der Landtag mit einer Klausel für Naturkatastrophen ausgeschaltet wird und nachträglich sein Plazet erteilen muss? Zehn Monate nach dem Überrumpelungscoup beschäftigt sich nun heute endlich der Staatsgerichtshof mit diesen Fragen.

 Die Abkehr vom Untersuchungsausschuss

In der Vergangenheit sind die mehrheitlich konservativen Verfassungsrichter den konservativen Regierungen zwar nur dann auf die Füße getreten, wenn es sich beim besten Willen nicht vermeiden ließ. Doch den EnBW-Deal als verfassungsgemäß abzusegnen dürfte auch ihnen schwerfallen. Vom viel zitierten Königsrecht des Landtags, den Haushalt aufzustellen, bliebe dann nur noch eine leere Hülle.

Egal, wie milde oder wie deutlich das Urteil ausfällt, es beleuchtet nur einen, wenngleich zentralen Aspekt des Milliardengeschäfts. Andere wichtige Fragen bleiben ungeklärt. Wie kann es sein, dass bei einem Vorgang von dieser Tragweite offenbar kaum (noch) Akten vorhanden sind? Dass millionenschwere Auftragsvergaben, etwa an die Investmentbank eines Mappus-Freundes, offenbar nicht dokumentiert sind? Jedem kleinen Steuerzahler sitzt das Finanzamt im Genick, wenn er nicht alle Belege beibringt, aber ein Ministerpräsident verfügt freihändig über Steuermilliarden - das versteht niemand.

Ein Untersuchungsausschuss des Landtags wäre ein Forum gewesen, um solche Dinge aufzuklären. Doch die Grünen wollen das einst von Winfried Kretschmann angekündigte Gremium nun doch nicht einsetzen. Ihre Gründe - neben der angeführten dürren Aktenlage - mögen politisch verständlich sein, enttäuschen aber all jene Wähler, die sich von dem Machtwechsel auch eine Aufarbeitung der "schwarzen" Vergangenheit erhofft haben.

Das Rechtsempfinden vieler Bürger wurde verletzt

Da auch die Justiz partout keinen Ansatz für Untersuchungen sieht, bleibt Mappus praktisch unbehelligt. Die von ihm gekauften EnBW-Aktien haben schon eine Milliarde Euro an Wert verloren, aber er wird in keiner Weise zur Rechenschaft gezogen - das verletzt das Rechtsempfinden vieler Bürger.

Politisch prekär kann das Urteil des Staatsgerichtshofs nur noch für Willi Stächele werden. Ein Landtagspräsident, der als CDU-Finanzminister auf Mappus' Geheiß willfährig Landtagsrechte ausgehebelt hätte, wäre in dem Amt fehl am Platze. Aber auch die einstigen Regierungsfraktionen hätten allen Anlass, ihre Rolle bei dem EnBW-Deal selbstkritisch aufzuarbeiten.

Etliche, auch führende Abgeordnete waren von dem Coup ihres Vormannes nämlich wenig überzeugt und trugen ihn nur angesichts der nahen Wahl zähneknirschend mit. Nun, da Mappus weg ist, wäre eine neue, objektive Bewertung des Geschäfts geboten. Solange die fehlt, sollten CDU und FDP sich mit Ratschlägen zur EnBW an die neue Regierung tunlichst zurückhalten.