Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus stellte dem Landesarchiv einst keine Dokumente zur Verfügung. Nun bekommt die Behörde sogar seine bisher geheimen Mails – dank eines Gerichtsurteil.

Stuttgart - Im Rechtsstreit um die Mails von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sieht sich das Landesarchiv Baden-Württemberg schon jetzt als Gewinner. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung begrüßte es der Präsident der Behörde, Professor Robert Kretzschmar, dass mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe „das Wissen um die Aufgaben und Funktionen des Landesarchivs und die Sensibilität im Umgang mit Daten verstärkt werden“. Zugleich zeigte sich Kretzschmar bereit, die Mailkorrespondenz „sehr zeitnah zu übernehmen, zu bewerten und dauerhaft zu sichern“. Man erwarte eine Kontaktaufnahme durch das Staatsministerium, sobald der Streit zwischen Mappus und der grün-roten Landesregierung rechtskräftig geklärt sei.

 

In der Auseinandersetzung geht es um Mailkopien aus dem Herbst 2010, die damals wegen Computerproblemen angefertigt worden waren und erst im Spätsommer 2012 entdeckt wurden (siehe Infoelement). Das Verwaltungsgericht hatte Ende Mai auf Antrag des Ex-Ministerpräsidenten entschieden, dass die Dateien zu löschen seien. Zuvor müssten sie jedoch dem Landesarchiv „zur Übernahme als Archivgut angeboten“ werden. Im Verhältnis zum Datenschutzrecht sei „von einem Vorrang des Archivrechts auszugehen“, heißt es in dem Urteil; letzteres enthalte ausreichende Vorkehrungen zum Datenschutz.

Über Berufung noch nicht entschieden

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles hat das Gericht Berufung zum baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof in Mannheim zugelassen. Grund: Die Rechtsfrage sei „bisher obergerichtlich ungeklärt“ und „über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftig“. Die Landesregierung hat nach Auskunft eines Sprechers noch nicht entschieden, ob sie in die nächste Instanz gehen wird; die Frist für die Prüfung laufe noch, hieß es. Mappus’ Anwälte äußerten sich zunächst nicht auf eine StZ-Anfrage.

Für das Landesarchiv ist das Urteil auch deshalb ein Erfolg, weil es sich nach der Abwahl vergeblich um Unterlagen von Mappus bemüht hatte. Eine schriftliche und eine telefonische Anfrage seien im Frühjahr 2011 ohne Erfolg geblieben, hatte die Leiterin des zuständigen Hauptstaatsarchivs, Nicole Bickhoff, der StZ bestätigt. Ihr Stellvertreter habe daraufhin mit ihrem Wissen Strafanzeige erstattet, die jedoch nicht zu Ermittlungen führte. Mappus’ Anwälte hatten behauptet, das Schreiben habe diesen nicht erreicht. Der Archiv-Präsident Kretzschmar sieht zwar „keinen Zusammenhang“ zu dem Urteil. Gleichwohl hoffe man, „dass bei künftigen Aktivitäten zur Sicherung von Unterlagen ehemaliger Mitglieder der Landesregierung entsprechende Anfragen auf eine stärkere Resonanz stoßen“.

EnBW-Deal und Polizeieinsatz im Fokus

Laut Kretzschmar verfügt das Landesarchiv „über alle Voraussetzungen“, um die Mappus-Mails für die Nachwelt zu sichern. Seit 2002 baue man ein digitales Archiv auf, in das dieses Jahr erstmals E-Mail-Konten eines Ministeriums übernommen worden seien. Zuständig sei die Abteilung Hauptstaatsarchiv. Informationsverluste durch die gebotene „Verdichtung“ des Materials seien nicht zu befürchten. „Tausende von Akten zur Kfz-Steuer werden wir sicher anders bewerten als den Schriftverkehr eines Ministerpräsidenten“, sagte der Archivchef. „Bei diesem haben wir immer eine sehr hohe Übernahmequote.“

Bei der Auswertung der Mails würden der EnBW-Deal und der Polizeieinsatz am „schwarzen Donnerstag“ im Stuttgarter Schlossgarten „sicher eine wichtige Rolle spielen“, sagte Kretzschmar. Es seien aber nicht die einzigen Themen. Generell gehe es darum, „Unterlagen mit historischem Wert“ zu sichern. Näheres könne man erst sagen, wenn man den Inhalt der Mails kenne. Eher vage beantwortete der Präsident die Fragen, nach welchem Zeitraum und von wem die Mails eingesehen werden könnten. Mappus Anwälte hatten es begrüßt, dass im Landesarchiv „für die nächsten 30 Jahre“ kein Zugriff darauf erfolgen könne; dies ist die normale Sperrfrist. Darüber hinaus gibt es eine Frist von 60 Jahren bei besonderer Geheimhaltung und von zehn Jahren nach dem Tod des Betroffenen. Kretzschmar verwies lediglich auf das Archivgesetz, nach dem „bei jeder Anfrage eine Einzelfallprüfung“ erfolgen werde. Es könne keine Rede davon sein, dass die Unterlagen für Jahrzehnte „weggeschlossen“ würden: „Die Zeiten der Geheimarchive sind vorbei.“ Allerdings gilt es als sehr ungewöhnlich, dass das Archiv Unterlagen übernimmt, deren Inhalte nicht einmal die Dienststelle kennt, aus der sie stammen.

Mappus kann seine Sicht schildern

Laut Kretzschmar wird Mappus auch Gelegenheit erhalten, seine Sicht der Dinge einzubringen: Wie jedem sei es ihm „unbenommen, dem Archivgut eine Gegendarstellung beizufügen, wenn er die Richtigkeit von Angaben zur Person bestreitet“.

Infos zu Mappus’ Mails

Privatnutzung
: Durfte Stefan Mappus seinen Dienstcomputer eigentlich für private Mails nutzen? Diese oft gestellte Frage wird im Urteil des Verwaltungsgericht Karlsruhe klar beantwortet: nein. Nach seinem Amtsantritt als Ministerpräsident habe sein Büroleiter im Auftrag einen Antrag auf Internetzugang unterschrieben, demzufolge er diesen „ausschließlich für dienstliche Zwecke“ benötige. „Die private Nutzung ist untersagt“, heißt es im gleichen Formular. Für den Umgang mit Mails habe es im Staatsministerium keine Sonderregelung gegeben, auch sonst sei die private Nutzung nirgendwo gestattet gewesen. Eine „Kontrolle . . . auf privaten Gebrauch“ habe zwar nicht stattgefunden, so die Richter, dies sei aber nicht als Erlaubnis zu werten. Mappus’ Mails fielen daher nicht unter den besonderen Schutz des Telekommunikationsgesetzes.

Datentresor
: Nach dem Urteil werden die Mail-Kopien, die im Herbst 2010 wegen Problemen mit dem elektronischen Terminkalender angefertigt wurden, im Staatsministerium unter strengen Sicherheitsvorkehrungen verwahrt. Von einem „Datentresor“ seien sie auf einen Datenträger überspielt worden, der sich in der Villa Reitzenstein „in einem verschweißten Beutel in einem Tresor“ befinde; das Passwort liege „in einem verschlossenen Umschlag in einem weiteren Tresor“. Durch einen sogenannten Zeitstempel werde jeder Zugriff auf die Daten dokumentiert. Bisher seien die Dateien weder gesichtet noch sonstwie genutzt worden, konstatierten die Richter: „Der Zeitstempel steht unverändert auf Dezember 2010.“