Exklusiv Ende Oktober verhandelt das Landgericht Stuttgart über die Klage von Stefan Mappus gegen die Kanzlei Gleiss Lutz. Weil ihn die Anwälte beim EnBW-Deal schlecht beraten hätten, sieht er sich in seiner Karriere beeinträchtigt – trotz neuer Aufgaben bei einer IT-Firma.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Nach erheblichen Verzögerungen kommt der von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) betriebene Zivilprozess gegen die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz jetzt in Gang. Die ursprünglich für nächste Woche vorgesehene mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart ist nun für den 28. Oktober terminiert. Dies sagte ein Gerichtssprecher der Stuttgarter Zeitung. Nach Auskunft der zuständigen 9. Zivilkammer sei die Klageerwiderung von Gleiss Lutz „nach mehrfachen Fristverlängerungen erst vor Kurzem beim Landgericht eingekommen“.

 

Mit der Ende März eingereichten Klage will Mappus zunächst grundsätzlich feststellen lassen, dass ihm die Großkanzlei wegen falscher Beratung beim EnBW-Deal Schadenersatz schuldet. Einen konkreten Betrag fordert er noch nicht, seine Anwälte sprechen jedoch von einem Schaden „in sechsstelliger Höhe“ durch Kosten für Rechtsberatung und Einkommensverluste.

Für alle Fehler bei dem Milliardengeschäft macht der Ex-Regierungschef Gleiss Lutz und den zuständigen Chefadvokaten Martin Schockenhoff verantwortlich. Die Anwälte hätten ihm den später als Verfassungsbruch gewerteten Weg über eine Notbewilligungsklausel empfohlen und ihn nicht über Risiken oder die Vorgaben der Landeshaushaltsordnung aufgeklärt.

Gleiss Lutz wird die Akteneinsicht verwehrt

Gleiss Lutz erklärt lediglich, es gebe „keine Grundlage für Ansprüche gegen die Kanzlei“, äußert sich ansonsten aber nicht. Abgelehnt wurde nach StZ-Informationen ein Antrag der Anwälte, zur Abwehr der Zivilklage Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Stuttgart zum EnBW-Deal zu erhalten. In der Klageschrift werde an 25 Stellen auf die Akten verwiesen, hieß es in der Begründung des Antrags. Besonders die Kommunikation zwischen Mappus und dem Investmentbanker Dirk Notheis, der als dessen „Augen, Ohr und Stimme“ fungiert habe, sei für Gleiss Lutz ein „schwarzes Loch“.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte, dass die Akteneinsicht abgelehnt worden sei. Diese wäre den Ermittlungen zuwidergelaufen, sagte sie; beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens erhielten nur die Beschuldigten Einblick. Die Ermittlungen wegen Untreue befinden sich offenbar auf der Zielgeraden.

Für den Fall, dass man keine Akteneinsicht erhalte, hatte Gleiss Lutz angekündigt, die Aussetzung des Zivilprozesses bis zum Abschluss der strafrechtlichen Aufarbeitung zu beantragen. Ob das Gericht dem folgen wird, ist ungewiss. Die 9. Zivilkammer dürfte zudem klären müssen, ob Mappus überhaupt Ansprüche erheben kann, obwohl er gar nicht Mandant von Gleiss Lutz war; dies war offiziell das Land. Zu diesem sogenannten Drittschutz macht sein Anwalt, der diesen bejaht, in der vorab gestreuten Klageschrift umfassende Ausführungen.

Mappus’ Karriere „massiv beeinträchtigt“

In der Klagebegründung werden auch die Folgen der angeblichen Falschberatung für Mappus’ weitere Karriere thematisiert. Nach seinem Ausscheiden beim Pharmakonzern Merck, der ihm statt der geplanten Beförderung zum Brasilien-Chef Ende 2011 den Stuhl vor die Tür setzte, sei er „als freiberuflicher Berater mit weit niedrigerem Einkommen tätig“. Sein berufliches Fortkommen sei auch durch die Untreue-Ermittlungen „massiv beeinträchtigt“.

Bisher war nur bekannt, dass Mappus als Berater des Vorstands bei der pm-One-Gruppe tätig ist, einem Software- und IT-Beratungsunternehmen mit Sitz in Unterschleißheim bei München, das etwa 200 Mitarbeiter beschäftigt. Inzwischen hat er dort zwei zusätzliche Funktionen übernommen: laut Handelsregistereinträgen vom Februar 2014 ist er Co-Geschäftsführer der pm-One-Beteiligungen GmbH sowie der ebenfalls zur Gruppe gehörenden MindBusiness GmbH in Alzenau, eines IT-Dienstleisters mit 25 Mitarbeitern. Weder Mappus’ Anwälte noch die Sprecherin der Firmengruppe reagierten auf eine StZ-Anfrage zu den neuen Aufgaben.

Firma spricht von Rücktritt statt Abwahl

Die Bestellung zum Geschäftsführer muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass Mappus auch besser bezahlt wird. Ein Gerichtssprecher sagte, zu etwaigen Änderungen seiner Einkommensverhältnisse habe er bisher nichts vorgetragen. Da sich die Klageerwiderung „nicht oder kaum mit dem Schaden“ beschäftige, habe er dazu wohl noch keinen Anlass gehabt. Seine Replik auf den Schriftsatz von Gleiss Lutz stehe zudem noch aus.

Auf der Homepage der Firma Mind Business (Motto: „Mensch und EDV mit Begeisterung verbinden“) wird Mappus’ Werdegang übrigens nicht ganz korrekt wiedergegeben. Dort heißt es, er sei „nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident“ in die Wirtschaft zurückgekehrt. Tatsächlich war der heute 48-Jährige als Regierungschef nicht zurückgetreten, sondern bei der Landtagswahl 2011 abgewählt worden.