Gerade hat er noch die Ratssitzung geleitet, dann war er weg: Der Marbacher Bürgermeister Jan Trost hat eine schwere Operation überlebt – und spricht offen über seine Auszeit und die Todesangst.

Marbach - Gerade mal zwei Wochen ist es her, da hat der Bürgermeister Jan Trostnoch die Sitzung des Gemeinderates geleitet. Dreieinhalb Stunden lang. Gegen 21.30 Uhr brach die Runde zur Nachsitzung auf. Mit dem Verwaltungschef. Doch wurde Jan Trost an diesem Abend bewusst, dass irgendetwas nicht stimmt. „Ich hatte schon in den Wochen zuvor immer mal wieder Schwindel und ein ungutes Gefühl“, erzählt er, „als die Sitzung vorbei war und ich aufstehen wollte, hatte ich Ausfälle in meinem Gesichtsfeld und einen Tunnelblick.“ Was er damit meint? „Ich konnte den Ersten Beigeordneten Gerhard Heim, der ja immer links von mir sitzt, nicht mehr sehen.“

 

Die Botschaft: „Sie haben einen Tumor am Kleinhirn“

Am nächsten Morgen ist der Schwindel nicht verschwunden. „Mein Hausarzt hat sofort einen Termin im Krankenhaus in Ludwigsburg ausgemacht“, erzählt Trost. Das Ergebnis der Untersuchung bringt die Welt des 42-Jährigen und seiner Familie von einem Moment auf den anderen ins Wanken. „Sie haben einen Tumor am Kleinhirn. Gott sei Dank an einer Stelle, an der gut operiert werden kann“, das hat ihm eine junge Ärztin gesagt. Ein Schock: „Du stehst mitten im Leben und rechnest nicht mit so was, da zieht es einem von einem Augenblick auf den anderen den Boden unter den Füßen weg.“ Im September erwarten er und seine Frau ihr drittes Kind.

Seine Gattin Claudia Trost hatte eine Vorahnung. Als dann der Anruf mit der schlimmen Nachricht kommt, macht sie sich sofort mit den beiden Kindern Jakob und Klara auf den Weg ins Krankenhaus. „Komischerweise bin ich ganz ruhig geworden und habe nur noch funktioniert, wie die ganze Zeit über“, erzählt sie.

Keine Minute Schlaf in der Nacht vor der OP

Auch wenn die Operation erst auf Montag angesetzt ist – nach Hause darf der Rathauschef nicht mehr. Der Tumor, der im hinteren Bereich des Kleinhirns sitzt, hat einen Durchmesser von drei Zentimetern und staut das Gehirnwasser an. Durch eine sofortige Kortisonbehandlung wird der gefährliche Druck reduziert.

Am Montag, 7. Mai, um 7.30 Uhr beginnt der Neurochirurg Oliver Sakowitz mit seinem Team zu operieren. Sieben Stunden dauert der Eingriff. Die Nacht davor findet Jan Trost so gut wie keinen Schlaf. „Da geht einem alles durch den Kopf. Man macht sich Sorgen um die Familie, darüber was bei dem Eingriff passieren kann. Ob man danach wieder laufen kann und wieder ganz der Alte sein wird“, erzählt er.

Doch die Operation gelingt, der Tumor wird vollständig entfernt. Anderthalb Tage bleibt der 42-Jährige auf der Intensivstation. Der Montag ist so gut wie ausgelöscht. „Ich kann mich an nichts mehr erinnern – außer, dass meine Frau an meinem Bett gesessen hat, als ich zu mir kam“, erzählt Jan Trost. Am Donnerstag darf er zum ersten Mal aufstehen. „Ich bin mit einem Rollator über den Gang gelaufen – das war ein gutes, aber auch komisches Gefühl.“ Claudia Trost ist immer an seiner Seite. Auch die Kinder besuchen den Papa im Krankenhaus. Nachdem alle Schläuche entfernt sind, die den Kleinen Angst machen könnten. „Meine Familie hat mir unheimlich Kraft gegeben“, sagt Jan Trost.

Am liebsten will er sofort wieder ins Rathaus

Am Montag, eine Woche nach der Operation, darf er wieder nach Hause. „Die Teilnahme am Familienleben tut mir gut, auch wenn es manchmal etwas turbulent zugeht“, sagt er lächelnd und dreht sich zu Tochter Klara um, die mit ihrer Mama im Wohnzimmer auf dem Boden spielt. In den nächsten Tagen, so hofft Jan Trost, beginnt die vier- bis sechswöchige Reha. „Meinem Mann kann es nicht schnell genug gehen“, verrät Claudia Trost und schmunzelt, „er ist etwas ungeduldig.“

Vor zwei Tagen wurden dem 42-Jährigen Klammern am Hinterkopf entfernt. „Bei der OP sind die Nackenmuskeln auseinandergedehnt und eine Platte aus der Schädeldecke herausgesägt worden, um an das Kleinhirn und den Tumor zu kommen“, erzählt Jan Trost ganz sachlich. Am liebsten würde der Rathauschef besser heute als morgen mit der Reha beginnen, um schnell zurück in sein altes Leben und an seinen Arbeitsplatz zu kommen. Doch er braucht eine Auszeit.

„Ich bin erschrocken, wie schnell der Körper in kürzester Zeit abbaut“, sagt er. Doch er stellt klar: „Nach der Reha werde ich meinen Job wieder machen können.“ Diese Botschaft ist dem 42-Jährigen wichtig. Das ist während des ganzen Gesprächs zu spüren. „Ich möchte, dass die Leute wissen, warum ich Knall auf Fall verschwunden bin“, sagt er, „ich mache meine Arbeit gern. Ich hatte kein Burn-out, ich hatte einen Hirntumor.“