Mehr Raum und mehr Nähe zum Zuhörer: Die Renovierung des Gotteshauses hat begonnen – die Sitzbänke werden generalüberholt. Ein Wunsch ist noch offen.
Wer die Marbacher Stadtkirche St. Marien kennt, der wäre erstaunt, würde er sie jetzt betreten. Es ist derselbe Innenraum, doch kahl, manches Vertraute ist verschwunden. Vor allem die Sitzbänke fehlen, und da, wo die Kanzel war, an der Ostseite links vom Chor, ist nur eine leere Wand. Das schöne Gesicht der Lieb-Orgel mit ihren hohen Pfeifen ist unter einer Bretterverschalung verborgen, ebenso der historische Taufstein.
Eine neue Stadtkirche ist im Werden. „Wir freuen uns, dass jetzt die Renovierungsarbeiten begonnen haben,“ sagt Katrin Mistele, die zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderates. Der letzte Gottesdienst fand am 6. Januar statt, jetzt ist die lange geplante Erneuerung des Gotteshauses auf dem Wege. Eine Rundum-Kur für den Innenraum der spätgotischen Kirche, die dringend nötig ist.
Heizungsrohre werden ersetzt
Ins Auge fallen zuerst die Leerstellen der 39 Sitzbänke. Sie wurden ausgelagert, in ein früheres Gewächshaus der Firma Hild. Dort nimmt sich ein Schreinerbetrieb ihrer an. Sie werden gesäubert, geschliffen und sorgsam restauriert – eine anspruchsvolle Arbeit. Wo die Bänke standen, das zeigen noch die alten Heizungsrohre auf dem Boden. Sie sollen durch neue ersetzt werden. Katrin Mistele weist darauf hin, dass die alten geradezu gefährlich waren, man hätte sich an ihnen verbrennen können. Diese Investition dient also direkt der Sicherheit der Kirchenbesucher.
In Zukunft wird es keine erste und auch keine letzte Bankreihe mehr geben, die verbliebenen Bänke können zudem in der Mitte geteilt werden. Das schafft mehr Raum und mehr Flexibilität. Auch der Wegfall der Kanzel trägt dazu bei. Dekan Ekkehard Graf schreibt im Gemeindebrief: „Ein weiteres wichtiges Anliegen ist die bessere Nutzbarkeit der Stadtkirche für kirchenmusikalische Ereignisse.“ Schließlich würden Weihnachten und Ostern immer an diesem Ort gefeiert. Das Denkmalamt gab grünes Licht, und so predigt der Pfarrer oder die Pfarrerin künftig von einem Ambo aus, also einem Lesepult, nicht mehr von einer erhöhten Kanzel. Das bringt, so Mistele, „mehr Nähe zum Zuhörer“. Gottes Wort kommt gewissermaßen in Augenhöhe zur Gemeinde.
Mehr Möglichkeiten für Konzerte
„Wir können dann einfacher mal eine Band in der Kirche dabei haben“, sagt Katrin Mistele. Auch für andere Veranstaltungen, Konzerte oder Aufführungen, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Dazu wird die umfassende Erneuerung der nun 60 Jahre alten elektrischen Leitungen beitragen. Das ist einer der größten Posten im Renovierungsplan. Gleichzeitig wird die Beleuchtung modernisiert und eine neue Lautsprecheranlage installiert. Auch der alte steinerne Altar weicht, an seine Stelle tritt ein hölzerner Altar, der bei Konzerten im Chor leichter versetzt werden kann. Die nun leere Kanzelwand könnte für Projektionen genutzt werden. Und der enge Eingangsbereich mit etlichen Stufen soll entschärft werden.
Ein Wunsch ist noch offen
Offen ist noch, ob ein weiterer Wunsch der Gemeinde erfüllt wird: eine Photovoltaikanlage auf dem nach Süden geneigten Kirchendach. Damit könnte das Gebäude bei der Stromerzeugung unabhängig werden. Allerdings wird diese Bedachung noch mit dem Landesdenkmalamt diskutiert. Doch die Marbacher Gemeinde ist guter Hoffnung; die Handwerker bereiten jedenfalls schon die nötigen Anschüsse auf dem Dachboden vor.
Die Gesamtkosten sind auf mehr als eine Million Euro veranschlagt. Es gibt einige Zuschüsse, zum Beispiel für die Modernisierung der elektrischen Leitungen. Doch nicht alle Posten sind zuschussfähig; die Kirchengemeinde hofft auch in Zukunft auf Spenden. Weihnachten soll wieder in der Stadtkirche gefeiert werden – so lautet das Ziel. Erste Visualisierungen, so Dekan Graf, zeigten, dass sich optisch gar nicht so viel verändern werde. Atmosphärisch wird sich die Stadtkirche aber vielleicht doch ein wenig anders „anfühlen“. Jedenfalls wird viel dafür getan, ein einladendes Gotteshaus zu gestalten, das man gerne aufsucht.