Er ist ein Dauerbrenner unter den Top-Torjägern in der Handball-Bundesliga. Nun ist Marcel Schiller von Frisch Auf Göppingen für die letzen beiden Länderspiele des Jahres nominiert worden – und hofft auf die Erfüllung eines großen Traums.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Göppingen - Fünfmal stand Marcel Schiller am Sonntag am Siebenmeterstrich, fünfmal verwandelte er für Handball-Bundesligist Frisch Auf Göppingen. „Ich reise mit einem richtig guten Gefühl zur Nationalmannschaft“, sagte der Linksaußen nach dem 25:25 beim Bergischen HC. An diesem Mittwoch (19.30 Uhr/Stream auf sport.zdf.de) in Zagreb und am Samstag (14.30 Uhr/ARD) in Hannover stehen zwei Länderspiele gegen Kroatien an. Es sind die letzten des Jahres. Bundestrainer Christian Prokop spricht von einer „entscheidenden“ Lehrgangswoche mit Blick auf die Medaillen-Mission bei der EM im Januar.

 

Vorzug vor Matthias Musche

Schiller will seine Chance nutzen. Kapitän Uwe Gensheimer ist als Linksaußen Nummer eins gesetzt. Doch dahinter hat der Mann von Frisch Auf nun den Vorzug vor Matthias Musche (27) bekommen. Beim Torschützenkönig der vergangenen Bundesligarunde vom SC Magdeburg läuft es in dieser Saison nicht so rund. Nach zehn Spielen hat er erst 40 Tore (davon zehn Siebenmeter) auf dem Konto. Schiller, Vierter der aktuellen Torjägerliste, dagegen schon 67 (32).

Bisher fünf Länderspiele

Derzeit hat der Göppinger einen Tick die Nase vorne. Bleibt er verletzungsfrei und stabilisiert er seine Quote im Verein bis zum Jahresende, dann hat der 28-Jährige gute Karten auf den EM-Zug aufzuspringen. Es wäre sein erstes Turnier für die Nationalmannschaft, für die er bisher fünf Länderspiele (20 Tore) bestritt. „Besser spät als nie“, sagt der Rechtshänder mit einem Schmunzeln.

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„Durch seine beeindruckende Konstanz über Jahre hinweg hätte es Marcel mit Sicherheit verdient, bei der EM dabei zu sein“, bricht Göppingens Sportlicher Leiter Christian Schöne eine Lanze für seinen Spieler. Es ist sein siebtes Bundesligajahr bei Frisch Auf. Immer stand er am Saisonende unter den Top Zehn der Bundesliga-Torjägerliste, fünfmal davon gehörte er zu den fünf Besten. Natürlich sind immer viele Siebenmeter dabei – aber die müssen eben auch erst mal im gegnerischen Gehäuse untergebracht werden. „Egal, ob in der ersten Minute oder in der letzten Sekunde, ich habe nie Angst zu werfen“, sagt der Schwabe.

A-Jugend-Erlebnis mit Andy Wolff

Ein prägendes Erlebnis hatte der gelernte Physiotherapeut schon in der A-Jugend im Dress des TV Neuhausen/Erms. Im Kampf um die deutsche Meisterschaft vergab er im Halbfinale zwei Strafwürfe. Im Endspiel gegen den TV Kirchzell machte er den entscheidenden Siebenmeter rein – gegen keinen Geringeren als den aktuellen Nationalmannschafts-Stammkeeper Andreas Wolff. „Diese Erfahrung gab mir ein positives Gefühl, weil mir klar wurde, dass ich aus schwierigen Situationen lernen kann“, sagt der Mann ohne Nerven.

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Seine Frau Doro und Söhnchen Leo (zehn Monate) geben ihm Kraft. In Sachen mentale Stärke schaut der Basketball-Fan auch gerne in die NBA. Wie sein inzwischen zurückgetretenes Idol Kobe Byrant trägt auch Schiller die Nummer 24 auf dem Trikot. „Dieser positive Killerinstinkt, die Fähigkeit den Gegner vom Kopf her kaputt zu machen, beeindruckt mich“, sagt der Rechtshänder, „auch ich versuche dem Torwart das Gefühl zu geben, beim Siebenmeter keine Chance zu haben.“ Und auch von außen hat er viele Wurfvarianten auf Lager. Wenn er von links in den Kreis fliegt, wirkt es, als überlege er sich im Flug eine neue Wurfvariante, und dann dreht, hämmert, zwirbelt, jagt, legt oder donnert Schiller den Ball ins Netz. „Ich lebe von meinem Sprung und meinem langen Arm“, sagt er. Die skandinavischen Weltklasse-Außen, wie früher Lars Christiansen oder Anders Eggert, haben ein anderes Wurfverhalten. Schiller: „Sie bekommen den Torwart da hin, wo sie wollen.“

Lob für Trainer Hartmut Mayerhoffer

Die Treffsicherheit ist das eine, das Abwehrverhalten das andere. Und in der Defensive kann der Torjäger noch an sich arbeiten. Manchmal beordert ihn Göppingens Trainer Hartmut Mayerhoffer deshalb auch kurz mal auf die Bank. Schiller: „Es nervt zwar, dass er so streng ist, aber letztendlich will er nur noch mehr aus mir herauskitzeln. Ich habe ihm viel zu verdanken.“ Ansonsten hebt er von seinen früheren Trainer noch Kurt Reusch und Markus Gaugisch hervor. In dieser Woche geht es nun darum, den Bundestrainer vollends zu überzeugen. Um dem Traum vom späten Glück in der Nationalmannschaft einen weiteren Schritt näher zu kommen.

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