Spitzengastronomie ist wie Hochleistungssport. Der langjährige Sternekoch Marco Akuzun will mehr vom Leben haben als puren Stress Abend für Abend. Er wagt Neues, bleibt aber dem Genuss treu, wie er bei einem exklusiven Event im José y Josefina beweist.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Wenn der nächste Michelin Guide erscheint, wird ein Name fehlen, der 14 Jahre lang da immer drin stand: Marco Akuzun hat sich für „freie Abende“, für „mehr Lebensqualität“, für „mehr Zeit“ mit seiner Frau Nadine, seiner Tochter Angelina und seinem Hund Teddy entschieden. Dass er nicht mehr in den Gourmetführern gelistet ist, sei „schon ein komisches Gefühl“, sagt der 43-jährige Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters aber auch.

 

Nach dem Corona-bedingten Aus des Restaurants Top Air auf dem Flughafen zog es ihn nach Weingarten, wo er mit der Syrlin Speisewelt wieder einen Stern holte und im „Gusto“ als „Neueröffnung des Jahres“ gefeiert wurde. Jetzt, da er aus der Sterneküche ausgestiegen ist, freut er sich, wenn die Kritiker der bekannten Führer bei ihm anrufen und sagen, sobald er ein neues Restaurant aufmache, würden sie kommen zu einem der besten Köche des Landes, über den sie geschrieben haben, er stehe „für mutige, zeitgemäße und eine handwerklich perfekte Küche“.

Marco Akuzun sagt, diese Anrufe seien „gut fürs Ego“, aber die Freiheit, die er dank freier Abende erlebt, würden ihm „mehr geben“ als alle Auszeichnungen. Zurück nach Stuttgart ist der 43-Jährige gezogen, wo ihn seine Stammgäste vermisst haben. Hier gibt er nun Kochkurse, man kann ihn buchen für Events. Einmal in der Woche arbeitet der junge Wilde mit den Tattoos, der viel zu dünn scheint für einen Koch, im spanischen, brummenden Restaurant José y Josefina seines Kumpels Juan Blanco del Rio im Stuttgarter Westen, normalerweise immer nur mittags, um für Topqualität zu sorgen und Tapas für den Abend vorzubereiten. Da kann er auch seine englische Bulldoge Teddy mitbringen, wenn das Lokal leer ist.

Wie bei einem großen Familientreffen

Eine Ausnahme hat Marco Akuzun nun gemacht und doch mal abends im José y Josefina ein Fünf-Gänge-Menü zubereitet, das er in Sterne-Nähe mit einer überzeugenden Mischung aus Raffinesse und Aromenwucht (zwischen Thunfisch mit Wasabi-Eis und Lammrücken mit Lauch) platziert. Die meisten Gäste im ausgebuchten Lokal kennen sich, es ist wie ein großes Familientreffen, fröhlich und genussvoll geht es zu.

Im Service wird der Chef von seiner Schwester Sonia und seinem Bruder David Blanco del Rio gut gelaunt unterstützt. Alle hören viel Lob. Und die Gäste schließen Wetten ab, wann „der Marco“ zur Sterneküche mit eigenem Restaurant zurückkehrt. Nein, nein, das plant er nicht! „Ich bin so weit, dass ich Auszeichnungen nicht mehr so dringend brauche wie früher“, sagt Akuzun, „mir sind inzwischen andere Sachen wichtiger.“

Was wichtig im Leben ist, dies kostet er der Spitzenkoch nun in vollen Zügen aus – und der Genuss, ganz klar, gehört zum schönen Leben auch ohne Stern dazu. Im José y Josefina sorgt er mit fünf Gängen dafür.