Das Stuttgarter Marienhospital ist vor 125 Jahren gegründet worden. Die Barmherzigen Schwestern des heiligen Vinzenz von Paul prägen es bis heute – sie tragen die Klinik und arbeiten dort auch mit. Allerdings machen sie nur noch 45 von 1900 Mitarbeitern aus.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es ist heute kaum zu glauben, aber im 19. Jahrhundert gab es im protestantischen Stuttgart noch erhebliche Vorbehalte gegen Katholiken – und das bekamen die „Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul“ schnell zu spüren. Im Jahr 1867 entsandte der Orden, der sich seit seiner Gründung im Dreißigjährigen Krieg vor allem karitativen Aufgaben widmet und seinen Sitz in Untermarchtal hat, erstmals zwei Schwestern nach Stuttgart. Sie sollten hier Kranke pflegen, doch erregte ihre Tracht auf der Straße Aufsehen, und die Schwestern hätten viele Spötteleien und Schimpfreden erdulden müssen, heißt es in einer Niederschrift.

 

Auch, als die Barmherzigen Schwestern 1890 das Marienhospital eröffneten, kam reichlich Kritik. Die katholischen Ordensfrauen würden die Stuttgarter Patienten nur bekehren wollen, hieß es. Andere störte es, dass das evangelische Diakonissenhaus nur 62 Betten hatte, das Marienhospital aber mit weit mehr als 100 plante. Und vielen kam der neue Bau mit seinen Türmen und Erkern zu luxuriös vor: Es sei Sünde, mit Spenden ein Krankenhaus zu bauen, das wie ein Schlössle aussehe. Diesen Vorwurf teilte sogar der katholische Bischof – er soll deshalb nie einen Fuß in das Marienhospital gesetzt haben. Zweimal wurden die Pläne auch aus Geldmangel abgespeckt.

Schwester Karin Maria lacht aus vollem Halse, als sie jetzt die Vorwürfe von damals hört – sie klingen 125 Jahre später für sie sehr antiquiert. Schwester Karin Maria ist die Oberin der 45 Schwestern, die heute noch im Marienhospital arbeiten, und sie ist eine Frau mit viel Humor und Gefühl. Das Gespräch findet in ihrem Besuchszimmer statt; mit den langen Vorhängen, den dunklen Möbeln und der Statue des heiligen Vinzenz strahlt das Zimmer eine große Ruhe aus. Als sei die Zeit angehalten.

Der Zeitdruck ist ähnlich hoch wie in allen Kliniken

Nichts von all den Befürchtungen habe sich bewahrheitet, erzählt Schwester Karin Maria. Gleich von Anfang an seien im Marienhospital Menschen aller Konfessionen behandelt worden. Die Vorurteile lösten sich sogar so schnell in Luft auf, dass die Klinik schon vier Jahre nach der Eröffnung zu klein wurde und erweitert werden musste. Heute würde man Menschen mit anderem Glauben sowieso mit Respekt begegnen, sagt Schwester Karin Maria. Es gebe natürlich evangelische Seelsorger im Marienhospital oder spezielles Essen für Muslime. Dies sei die Grundhaltung der Barmherzigen Schwestern: „Jeder Mensch ist ein Geistwesen und von Gott gewollt“, sagt Schwester Consolatrix (die „Trösterin“), die auch zu dem Treffen gekommen ist. Seit 62 Jahren ist sie am Hospital tätig, lange hat sie die Krankenpflegeschule geleitet.