Ein deutschstämmiger US-Investor will groß in das Geschäft mit dem nicht nur in den USA immer häufiger legalisierten Marihuana einsteigen. Das passt zu einem Querdenker, der selbst für die Maßstäbe des Silicon Valley provokante Projekte verfolgt.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Noch im vergangenen September hat sich Peter Thiel über die seiner Meinung nach zu sehr Drogen inhalierenden Verantwortlichen bei Twitter lustig gemacht. „Das ist eine schrecklich schlecht gemanagte Firma“, sagte er dem Fernsehsender CNBC; „Die kiffen dort wahrscheinlich viel zu viel.“

 

Den Satz hat der 47-Jährige inzwischen als etwas zu sehr zugespitzt zurückgenommen. Der mit seinen Eltern im Alter von einem Jahr aus Deutschland zunächst nach Südafrika und später in die USA ausgewanderte Silicon-Valley-Investor wittert nun selbst das große Geschäft mit Cannabis. Sein Start-up-Fonds Founder’s Fund, der Geburtshelfer für die erfolgreiche Internet-Unterkunftsvermittlung Airbnb und den Musikdienst Spotify war, steigt mit einem ungenannten Betrag bei dem Marihuana-Anbieter Privateer („Freibeuter“) ein.

Die US-Firma will den Marihuana-Konsum zum normalen Einkaufserlebnis machen – ein wenig wie bei der US-Kaffee-Kette Starbucks. Die Firma hat eine nach dem Reggae-Star Bob Marley benannte Produktlinie vorgestellt, zu der hanfhaltige Hautcremes und – lotionen gehören. Und sie betreibt auch ein Internetportal, auf dem sich Nutzer über die Qualität ihres Stoffs austauschen können. Privateer blickt über die USA hinaus, wo Cannabisprodukte bereits in den Bundesstaaten Washington und Colorado wie eine Flasche Bier über die Ladentheke zu erhalten sind. Oregon und Alaska werden bald ähnliche Regelungen in Kraft setzen. Weltweit wird Marihuana in immer mehr Ländern zu einem zwar regulierten, aber legalen Genussmittel. Privateer will sich beispielsweise in Uruguay für Anbaulizenzen bewerben, das seit 2014 den Anbau von Marihuana als normales Agrarprodukt erlaubt.

Keine Angst vor unkonventionellen Projekten

Der in Frankfurt am Main geborene Thiel, dessen Vermögen auf mehr als 2,2 Milliarden Dollar (rund 1,9 Milliarden Euro) geschätzt wird, hatte als Investor nie Angst vor unkonventionellen Projekten. Thiel hat an der kalifornischen Universität Stanford Philosophie und Jura studiert. Er galt als Mathegenie und war ein begnadeter Schachspieler. Nach dem Studium arbeitete er sich zur prestigeträchtigen Position eines Assistenten am obersten US-Bundesgericht in Atlanta hoch, wurde dann Anfang der neunziger Jahre vorübergehend Börsenhändler, investierte später selbst – bis er mit 31 Jahren den großen Wurf landete und 1998 den Bezahldienst Paypal mitgründete.

Thiel war auch einer der ersten, der das Potenzial von Facebook erkannte. Aus 500 000 Dollar, die er 2004 in das Unternehmen steckte, hat Thiel bei Aktienverkäufen im Jahr fast 1,7 Milliarden Dollar gemacht. Seither ist er auf der Suche nach dem nächsten großen Ding. Die IT-Branche ist ihm allerdings nicht mehr revolutionär genug. „Sie haben uns fliegende Autos versprochen – und alles, was wir bekommen haben, sind 140 Zeichen“, sagt er – natürlich in Anspielung auf seinen Lieblingsfeind Twitter.

Der von Thiel lancierte Innovationsfonds Breakout Labs fördert deshalb Firmen, welche die menschliche Lebenserwartung steigern wollen. Thiel unterstützt zudem ein Seasteading genanntes Projekt, das auf künstlichen Inseln in den Weltmeeren, sich selbst regierende, freiheitliche Gemeinschaften etablieren will. Ein von ihm finanziertes Stipendium tut das Gegenteil normaler Förderprogramme: Es zahlt Geld, wenn junge Menschen anstatt einen Abschluss zu machen, lieber eine Firma gründen.

Provokante Thesen zu Internet-Monopolen

Seinen Ruf als Querdenker untermauert Thiel mit provokanten Thesen. So verteidigt er die Monopole der Internetökonomie, etwa das von Google: „Alle glücklich agierenden Firmen sind etwas Besonderes: Sie haben sich ihr Monopol verdient, weil sie ein ganz besonderes Problem lösen.“ Wer sich die Konkurrenz nicht vom Leib halten könne, zeige damit nur, wie austauschbar seine Ideen sind. Dass der Nichtraucher Thiel, der 2005 die Filmsatire „Thank you for smoking“ mitfinanzierte, welche die fragwürdigen Lobbypraktiken der Tabakindustrie aufs Korn nahm, nun mit Rauchern Geld verdienen will, passt zu jemandem, dem Freiheit über alles geht – die kapitalistische allzumal.

Thiel, der nur noch wenig Deutsch spricht, verkörpert eine typisch amerikanische Weltanschauung, den „Libertarianism“. Die individuelle Freiheit steht hier ganz oben. Das führt zu Positionen, die einerseits aus europäischer Sicht konservativ sind – und dann wieder progressiv. Thiel spendet Millionen für die Republikaner, weil diese staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ablehnen. Andererseits setzt er sich für die Gleichstellung von Homosexuellen ein – und hegte immer Sympathien für die Legalisierung weicher Drogen.