Im Interview spricht der Stürmerstar Mario Gomez über die Rückkehr zu seinem Herzensclub VfB Stuttgart, über seinen damaligen Abgang nach München und welche Ziele er hat.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

La Manga - Mario Gomez meldet sich im Trainingslager im spanischen La Manga zurück beim VfB Stuttgart. „Solange ich spiele, will ich ein entscheidender Akteur sein“, sagt der 32-jährige Stürmer, der zwei Ziele verfolgt. Da ist zunächst der Nichtabstieg mit dem VfB, und obendrein die Realisierung eines persönlichen Traums: Eine Teilnahme an der Fußball-WM im Sommer in Russland.

 
Herr Gomez, acht Jahre nach Ihrem Abschied sind Sie zurück beim VfB. War es eine Entscheidung aus Liebe – oder ein gut kalkulierter Schritt in Ihrer Karriereplanung?
Es ist ein Stück weit eine Kombination aus beidem. Dass der VfB mein Heimatverein ist, das ist ein schönes Extra. Als ich vor anderthalb Jahren nach Wolfsburg bin, war mein großer sportlicher Traum auch die Teilnahme an der WM. Das ist sie bis heute geblieben. Das erste Jahr in Wolfsburg lief ja sehr gut. Ich hatte mit meinen Toren einen entscheidenden Anteil daran, dass wir nicht abgestiegen sind. Das haben mir die Leute dort hoch angerechnet. Doch danach gab es beim VfL viele Schulterklopfer. Die haben mir oft gesagt, wie toll und gut ich bin, fast egal, wie ich gespielt habe. Ich habe mich dann bewusst für eine neue Herausforderung entschieden. Zumal es in Wolfsburg mit Divock Origi einen Spieler gibt, der mich komplett ersetzen kann. Sonst wäre ich als Kapitän nicht gegangen.
Ist es im Spätsommer Ihrer Karriere beim VfB so etwas wie ein Ankommen zu Hause?
Sicherlich auch. Aber eines ist mir ganz wichtig: Ich bin diesen Schritt nicht gegangen, um quasi als Fritzle zwei der Stellvertreter des VfB-Maskottchens zu werden. Ich will hier nicht sportlich in Rente gehen. Ich habe in meiner Karriere gelernt, nicht langfristig zu planen. Das habe ich oft gemacht – und wenig davon ist am Ende aufgegangen. Vielmehr habe ich gelernt, den Moment zu leben und zu spielen. Also schaue ich erst einmal auf das nächste halbe Jahr. Diese Zeit ist extrem wichtig, für den VfB und auch für mich. Denn ich habe diesen großen Ehrgeiz, zur WM zu fahren.

Gomez musste weg von daheim

Als Sie 2009 den VfB verließen, brachte das dem Club mehr als 30 Millionen Euro an Ablöse. Doch nicht jeder Fan war erfreut.
Ich weiß, dass es damals auch Unmut gab. Auch weil ich zum großen Rivalen nach München ging. Aber es war seinerzeit so wie daheim bei den Eltern, wo man sich ja auch wohl fühlt. Ich habe aber gespürt: Ich muss los, ich muss jetzt hier raus – ich will die Champions League gewinnen, ich will Welt- und Europameister werden. Wenn man merkt, dass man auf dieser Ebene gut mithalten kann, gibt man Gas, dann bleibt man nicht dauerhaft bei den Eltern sitzen.
Was bedeutet Ihnen der VfB heute?
Ich hatte viele schöne Momente in meiner Karriere, in München, beim AC Florenz oder bei Besiktas Istanbul. Doch rückblickend war die Meisterschaft 2007 mit dem VfB etwas ganz Besonders. Und das ist nicht so einfach dahergesagt. Der VfB ist mein Verein. Ich habe hier acht Jahre gespielt, bin zum Mann geworden. Es geht ja vielen Spielern so: Dort wo die Wurzeln sind, kehrt man gerne hin zurück. Jetzt bin ich in einer Phase der Karriere, wo nicht mehr der FC Barcelona kommt und mich will. Ich glaube, dass ich von meinen Fähigkeiten gut nach Stuttgart passe – und hier auch noch mal entscheidend sein kann.
Die Lage des VfB ist nicht die einfachste.
Ich weiß, dass die Aufgabe beim VfB schwierig und intensiv wird. Diese Art von Matches kenne ich ja noch aus der vergangenen Saison. Aber das ist die Herausforderung, die ich suche. Solange ich spiele, will ich ein entscheidender Akteur sein – und ich will nicht einfach meine Karriere ausklingen lassen. Druck habe ich, seit ich 18 Jahre alt bin. Damit weiß ich umzugehen.

Warum für Gomez Minus und Minus Plus ergibt

Wie können Sie sich einbringen? Mit 32 Jahren ist ein Nationalspieler ja eine Leitfigur.
Ich sehe meine Aufgabe auch darin, den Jungs durch meine Wolfsburger Erfahrung im Abstiegskampf zu helfen. Ich habe eine Bundesliga-Hinrunde hinter mir, die mit einem Bänderriss begonnen hatte und mit nur einem Tor weiter ging. Dem VfB ging es da ja ähnlich. Um es mit einem Augenzwinkern zu sagen: Minus und Minus ergibt Plus. Im Ernst: Wir wollen das in der Rückrunde gemeinsam ändern und wieder erfolgreich vor dem gegnerischen Tor sein. Ich bin dementsprechend motiviert.
Das Umfeld des VfB setzt da auch sehr große Hoffnungen in Sie. Ist das eine Last?
Ich weiß, dass die VfB-Fans bei meinem Namen an die alten Zeiten zurück denken, als ich die vielen Tore geschossen habe. Das werden die Leute auch jetzt von mir erwarten. Allerdings kann man mich nicht einfach mal vorne in den Sturm reinsetzen – und alles läuft genauso wie früher. Ich muss erst meine Mitspieler kennenlernen. Dazu spielen wir gegen den Abstieg. Das bedeutet, dass man als Team nicht immer befreit aufspielt, sondern in einigen Phasen auch mal ängstlicher auftritt als das eigentlich nötig wäre. All das sind Herausforderungen, die auf mich zukommen. Aber ich war schon immer einer, der so etwas gerne annimmt.

Gomez’ Zukunftspläne noch offen

Auch Sie müssen aber erst wieder die alte Treffsicherheit zurück gewinnen.
Das Allerwichtigste ist, dass man weiter hart an sich arbeitet und nie den Glauben verliert. Das hat mir die vergangene Saison mal wieder bewiesen. Ich hatte in der Hinrunde in Wolfsburg nur drei Tore gemacht. Auch, weil es viel Chaos im Verein gab. Nach einem guten Trainingslager, übrigens ebenfalls hier in La Manga, bin ich dann stark zurück gekommen (mit 13 Toren, Anm. d. Red). Wenn ich mich von Rückschlägen hätte aus der Bahn werfen lassen,, weil ich beispielsweise Großchancen nicht genutzt habe, dann hätte ich schon mit 19 meine Karriere beendet – und hätte nie mehr aufs Tor geschossen.
Der VfB braucht Ihre Tore dringend. Seit vier Bundesligaspielen steht bei der Mannschaft vorne die Null.
Mir war das als Außenstehender, der mit dem VfB sympathisiert, nicht so bewusst, dass die wenigen Tore das entscheidende Problem sind. Ich habe erst im Kreis der Mannschaft gemerkt, dass das schon ein Thema ist. Natürlich sind 13 Tore eine magere Ausbeute. Doch das Team ist vorne quasi identisch mit der Mannschaft, die in der zweiten Liga oft ein Feuerwerk gezündet hat. Das steckt auch in den Jungs drin. Man darf nicht wegen einer halben Saison komplett den Glauben verlieren.
Wie wurden Sie von Ihren neuen Mitspielern aufgenommen – und was halten Sie von der Qualität Ihrer Kollegen?
Alle waren schon überrascht, dass ich zum VfB komme – aber alle haben sich gefreut. Ich bin ja nicht komplett wahnsinnig. Wenn ich gesehen hätte, diese Mannschaft macht keinen Stich in der Bundesliga, wäre ich nicht gewechselt. Ich bin vom Nichtabstieg komplett überzeugt, denn in diesem jungen Team steckt viel Potenzial drin. Nehmen wir Chadrac Akolo. Den habe ich letztes Jahr in einem Testspiel erlebt und habe mir gedacht: ‚Der Junge kann richtig was.‘ Und jetzt spielt er mit mir in einer Mannschaft. Oder Holger Badstuber, dem ich eine verletzungsfreie Zukunft wünsche. Wenn er in seiner Karriere komplett fit und verletzungsfrei geblieben wäre, wäre er für mich heute der beste deutsche Verteidiger.
Was planen Sie nach der aktiven Laufbahn?
Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt. Das war auch bei den Gesprächen mit dem VfB kein Thema. Ich bin als Fußballer noch nicht fertig. Ich will noch ein bisschen – und ich kann noch ein bisschen. Ich sprühe vor Freude und Elan und weiß jetzt noch gar nicht, was in zwei oder drei Jahren ist.

Die wichtigsten Aussagen von Mario Gomez bei seiner Antritts-Pressekonferenz beim VfB Stuttgart gibt es in unserem Video kompakt zusammengefasst: